ADHS-Diagnostik bei Erwachsenen
Wie läuft die Diagnose von ADHS bei Erwachsenen ab?
Hinter der Abkürzung ADHS verbirgt sich eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, die im Kindes- und Jugendalter beginnt und auch bei Erwachsenen weiter bestehen bleiben kann. Gekennzeichnet ist die Erkrankung bei Kindern durch Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Was sich in einem übersteigerten Bewegungsdrang, einer gestörten Konzentrationsfähigkeit und unüberlegtem Handeln äußern kann. Diese Symptome können gleichzeitig auftreten, müssen es aber nicht.
Galt die Störung lange Zeit als Kinderkrankheit, treten auch im Erwachsenenalter typische Symptome auf- Die Hyperaktivität, die häufig im Kindesalter ausgeprägt ist, kann im Erwachsenenalter zurückgehen und sich häufig als innere Unruhe oder getriebenes Verhalten manifestieren. Diese Symptomatik kann sich in Konzentrationsschwierigkeiten, Impulsivität oder einem Gefühl der Überforderung äußern. Zwar ist es möglich, dass sich auch die Impulsivität aus dem Kindesalter zurückbildet, aber manchen Betroffenen im Erwachsenenalter fällt es schwer, Dinge abzuwarten.
Zusätzliche Probleme, die neben den Kernsymptomen unter anderem auftreten können, sind eine Problematik mit dem eigenen Selbstwert, ein gestörtes Sozialverhalten, eine Intoleranz gegenüber Stress, Suchterkrankungen oder eine Beziehungsunfähigkeit.
Diagnose Die diagnostischen Schritte bei der Erkennung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Es gibt Erwachsene, bei denen noch keine Diagnose erfolgt ist und die im Erwachsenenalter dann selbst vermuten, dass diese Erkrankung vorliegen könnte. Dann kann eine diagnostische Abklärung sinnvoll sein. Eine klinische Diagnose zur Erkennung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen kann aus verschiedenen diagnostischen Schritten bestehen. Die S3-Leitlinie ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aus dem Jahr 2017 beschäftigt sich mit der Behandlung und Diagnostik. Zu den federführenden Fachgesellschaften der Leitlinie zählen die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (DGKJP), die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) sowie die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e. V. (DGSPJ). An der Leitlinie waren aber auch weitere Organisationen betätigt. Damit eine Diagnose gestellt werden kann, müssen die bereits genannten Symptome wie Hyperaktivität oder Impulsivität grundsätzlich den Kriterien nach ICD-10 oder DSM-5 entsprechen und zu Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen für die Betroffenen führen.
1. Die Anamnese:
Neben einer Befragung zur Krankheitsgeschichte und dem Gesundheitsstand in Form einer Anamnese spielt auch die Exploration eine wichtige Rolle bei der Diagnose der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen. Die S3-Leitlinie nennt hier auch eine umfassend strukturierte Exploration (Untersuchungsgespräch) der Patienten und seiner Bezugspersonen, besonders bei Kindern. Aber auch bei Erwachsenen kann es sinnvoll sein, wenn beispielsweise Probleme in Freundschaften oder Partnerschaften auftreten, Bezugspersonen bei der Diagnosestellung einzubeziehen. Da sich bei Erwachsenen die Hyperaktivität bereits gemindert haben kann, sollte dies bei der Diagnostik ebenfalls berücksichtigt werden. Bei der Befragung der betroffenen Erwachsenen wird auch erhoben, ob die Symptome bereits in der Kindheit oder Jugend vorlagen.
2. Klinische Interviews:
Um die Ausprägung der Symptome besser zu erfassen, können bei der Diagnostik auch standardisierte Interviews und Fragebögen zum Einsatz kommen. Dazu zählen neben Fremdeinschätzungsbögen auch Selbstbeurteilungen durch die Betroffenen. Für den Erwachsenenbereich kommen unter anderem der ADHS-DC und der ADHS-SB oder der CAAR-O und der CAAR-S in Betracht. In den Leitlinien werden Fragebogenverfahren und Verhaltensbeobachtungen als hilfreich angesehen, um beispielsweise die Erhebung der Symptome zu vertiefen. Dazu zählen auch koexistierende Symptome. Die diagnostische Checkliste des ADHS-DC zur Fremdeinschätzung enthält Fragen wie, ob der Patient häufig nicht zuhört, obwohl er direkt angesprochen wird oder der Patient im Alltag oft vergesslich ist. Der Diagnostiker hat hier die Möglichkeit, jeweils Ja oder Nein anzukreuzen und kann dann festhalten, wie oft das Kriterium im Bereich Unaufmerksamkeit erreicht wurde. Der dazugehörige Selbstbeobachtungsbogen ADHS-SB enthält Fragen, wie ob der Betroffene richtig zuhört, wenn jemand etwas zu ihm sagt. Das Wender-Reimherr-Interview ist ein strukturiertes Interview, welches ebenfalls in der klinischen Diagnostik der Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen zum Einsatz kommen kann. Auch hier drehen sich die Fragen zum Beispiel darum, ob Störungen in der Aufmerksamkeit vorliegen und wie stark diese ausgeprägt sind.
3. Der Ausschluss anderer psychischer Störungen und Erkrankungen:
Um eine korrekte Diagnose stellen zu können, ist eine vollständige psychiatrische Untersuchung notwendig. Dazu zählt auch die differenzialdiagnostische Abgrenzung von anderen Störungen, welche aber koexistierend auftreten können. Denn Symptome wie Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefizite oder Impulsivität können auch bei anderen psychischen Störungen auftreten. Beispiele, die in der S3-Leitlinie unter anderem genannt werden, sind Tic- und Tourette-Störungen, Entwicklungsstörungen, Angststörungen, depressive Störungen oder die Autismus-Spektrum-Störung. Neben dem Ausschluss psychischer Störungen müssen aber auch organische Erkrankungen während der Erkrankung ausgeschlossen werden. Die Leitlinie nennt hier unter anderem Seh- oder Hörstörungen, die fälschlicherweise als Unaufmerksamkeit interpretiert werden können, oder Schilddrüsenfunktionsstörungen.
4. Weitere Symptom-Skalen:
Klinische Fragebogenverfahren wie das Conners Adult ADHD Rating Scale (CAARS) dienen der Beurteilung von Aufmerksamkeitsstörungen im Erwachsenenalter. Sie enthalten Inhaltsskalen, welche auch mögliche spezifische Symptome bei Erwachsenen berücksichtigen. Dazu zählen Inhaltsskalen zur Unaufmerksamkeit und Gedächtnisproblemen, Hyperaktivität und motorische Unruhe, Impulsivität und emotionale Labilität sowie Selbstkonzeptprobleme. Die Diagnose solle aber nicht ausschließlich auf Grundlage von klinischen Fragebögen oder Verhaltensbeobachtungen erfolgen, heißt es beispielsweise in der S3-Leitlinie.
5. Neuropsychologische Tests:
Im Erwachsenenalter können zur Diagnosestellung auch neuropsychologische Tests herangezogen werden. Reine Fremd- und Selbsteinschätzungsbögen erfassen die neurokognitiven Merkmale der Störung im Erwachsenenalter nur unzureichend. Zu diesen neurokognitiven Merkmalen zählt auch die Aufmerksamkeit oder das Erinnern. Denn bei erwachsenen Betroffenen lässt sich beispielsweise auch beobachten, dass diese Absprachen nicht einhalten, Termine vergessen oder sich einfach "verzetteln". Neuropsychologische Tests, wie z. B. der Continuous Performance Test (CPT) oder der Test of Variables of Attention (TOVA), sind nützlich, um Aufmerksamkeitsstörungen und exekutive Funktionsstörungen zu diagnostizieren. Sie messen u. a. die Fähigkeit zur Impulskontrolle und die Effizienz der Aufmerksamkeitsprozesse. Wird ein solcher Test verwendet, ist es wichtig zu wissen, dass durch die Fähigkeit von ADHS-Betroffenen zum "Hyperfokussieren" unauffällige Testergebnisse entstehen können.
6. Ein multimodaler Ansatz:
Die Verfasser der Leitlinie empfehlen für die Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ein multimodales Behandlungskonzept. Multimodal bedeutet, dass bei der Behandlung verschiedene Bausteine wie die Psychotherapie und die Behandlung mit Medikamenten miteinander kombiniert werden. Der Behandlungsansatz sollte sich dabei an der individuellen Symptomatik des Betroffenen orientieren. Eine große Rolle beim multimodalen Ansatz spielt auch die Psychoedukation - das Wissen über die eigene psychische Erkrankung. So kann dieser auch besser als Experte in eigener Sache entscheiden, welches Behandlungskonzept am besten auf die individuelle Situation passt.
Herausforderungen Die besonderen Herausforderungen in der Diagnostik bei Erwachsenen
Die Kriterien bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen für eine Diagnose sind ähnlich. Gekennzeichnet ist das ADHS bei Kindern durch die drei Hauptsymptome: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität. Um Fehldiagnosen jedoch auszuschließen, ist es wichtig zu wissen, dass sich die oft stark ausgeprägte Hyperaktivität aus dem Kindesalter mit der Zeit bei Erwachsenen zurückbilden kann. Diese zeigt sich dann eher in innerer Unruhe oder Getriebenheit. Die Diagnostik im Erwachsenenalter wird durch die häufigen Komorbiditäten, wie Angststörungen oder Depressionen, erschwert. Späte Diagnosen erfolgen oftmals deshalb, weil die Erkrankung lange Zeit nicht erkannt wurde, zum Beispiel, weil die Symptome in der Kindheit unauffälliger waren.
Unterstützung Wie können die Oberberg Kliniken bei der Diagnose und Behandlung unterstützen?
Zu den Oberberg Kliniken gehören verschiedene private Fachkliniken aus den Bereichen Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland. Das Therapieangebot ist auf alle Altersgruppen ausgerichtet: So gibt es zum Beispiel spezielle Kliniken im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich, aber auch Fachkliniken für die Behandlung jüngerer Erwachsener. In ganz Deutschland stellen die Oberberg Klinik tagesklinische Angebote sowie vollstationäre Einrichtungen, um Menschen bei seelischen Krisen zu unterstützen, zur Verfügung. Zu den Krankheitsbildern, welche in den Kliniken behandelt werden können, zählt auch die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Der Therapieansatz in den Oberberg Kliniken besteht grundsätzlich aus verschiedenen Bausteinen wie innovative Psychotherapien, Entspannungsverfahren, aber auch biologische Therapieverfahren. Die Herangehensweise der Fachkliniken erfolgt interdisziplinär und individualisiert, das bedeutet auch, dass die Kliniken fachübergreifend zusammenarbeiten. Vor jeder Therapie steht auch eine ausführliche Anamnese mit dem Patienten, um mehr über die gestellte Diagnose zu erfahren.
Kontaktaufnahme Sie können sich jederzeit an uns wenden – Vertrauensvoll und diskret
Sie vermuten ADHS? Die Oberberg Fachklinik Potsdam bietet ein spezialisiertes Diagnoseprogramm für Erwachsene. Kontaktieren Sie uns und erhalten Sie professionelle Unterstützung.
Telefon: 0331 - 96803097
FAQ - Häufig gestellte Fragen
Erwachsene, die selbst vermuten, dass eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit oder der Konzentration vorliegen könnte oder unter erhöhter Unruhe und Impulsivität leiden, sollten eine diagnostische Abklärung in Erwägung ziehen. Diese findet oftmals in einem ambulanten Setting statt. Bei der Diagnose erfragt der behandelnde Arzt oder Therapeut auch, ob die Symptome bereits in der Kindheit und Jugend vorlagen.
Die diagnostische Abklärung erfolgt hier durch Fachärzte aus der Psychiatrie und Psychotherapie, der Neurologie oder der psychosomatischen Medizin. Bei Erwachsenen kann diese aber auch durch ärztliche oder psychologische Psychotherapeuten erfolgen. Wichtig hierbei, der behandelnde Arzt beziehungsweise Therapeut sollte eine profunde Kenntnis bezüglich der Störung besitzen.
Die diagnostische Abklärung kann aus verschiedenen Schritten bestehen und sollte nicht lediglich auf Fragebögen oder neuropsychologischen Tests basieren. So kann diese aus Selbst- und Fremdeinschätzungsbögen, klinischen Interviews sowie Untersuchungsgesprächen bestehen. Bei Erwachsenen ist dagegen die Verhaltensbeobachtung weniger verbreitet. Diese kommt bei Kindern zum Einsatz und kann dann in der schulischen Umgebung stattfinden, um die Symptome weiter zu untersuchen.
Die Störung ist hier ebenfalls geprägt durch drei Kernsymptome, die sich durch Impulsivität, Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität äußern können. Jedoch gibt es unter anderem Veränderungen im Hinblick auf die Hyperaktivität, welche sich eher in innerer Unruhe oder Getriebenheit äußern können.
Zum Überbegriff ADHS zählt auch das ADS. Bei der Aufmerksamkeitsstörung ADS lassen sich keine hyperaktiven Verhaltensweisen beobachten.
Dr. Astrid Neuy-Bartmann (o. D.). ADHS im Erwachsenenalter. ADHS Deutschland e. V. https://adhs-deutschland.de/adhs-erwachsene/adhs-im-erwachsenenalter
Bundesgesundheitsministerium für Gesundheit (2024, September 17). Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/kindergesundheit/aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.html
Infoportal ADHS (o. D.). Wie wird ADHS im Erwachsenenalter festgestellt? https://www.adhs.info/fuer-erwachsene/diagnostik-erwachsenenalter
Infoportal ADHS (o. D.). ADHS im Erwachsenenalter. https://www.adhs.info/fuer-erwachsene/adhs-im-erwachsenenalter/
zentrales adhs-netz (o. D.). Störungsspezifische Verfahren zur Erfassung der ADHS-Symptomatik. https://www.zentrales-adhs-netz.de/fuer-therapeuten/diagnostik/diagnostik-erw/stoerungsspezifische-verfahren-zur-erfassung-der-adhs-symptomatik/
testzentrale (o. D.). Conners Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten für Erwachsene. https://www.testzentrale.de/shop/conners-skalen-zu-aufmerksamkeit-und-verhalten-fuer-erwachsene.html
psychenet (2018, Juli 16). Neue S3- Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von ADHS veröffentlicht. https://psychenet.de/de/ueber-uns/news-und-presse/8-kurzmitteilungen/54-neue-s3-leitlinie-zur-diagnostik-und-behandlung-von-adhs-veroeffentlicht.html
AWMF online (2017, Mai 2). S3-Leitlinie ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://register.awmf.org/assets/guidelines/028-045k_S3_ADHS_2018-06-abgelaufen.pdf
therapie.de (o. D.). Diagnose bei Erwachsenen. https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/adhs-erwachsene/diagnose/
Kristina Hennig-Fast (2008). Neuropsychologische Diagnostik bei ADHS im Erwachsenenalter. chrome-extension://efaidnbmnnnibpcajpcglclefindmkaj/https://sbt-in-berlin.de/cip-medien/7-Henning-Fast.pdf
Info zum Hyperfokus: https://www.uniklinik-freiburg.de/fileadmin/mediapool/07_kliniken/psy_psychiatrie/pdf/InformationenzuADHSimErwachsenenalter.pdf