Die Bezeichnung „Paranoia“ umfasst eine Reihe an Gedanken und Wahrnehmungen. Dazu gehören Phänomene wie das Gefühl bedroht zu werden, Verfolgungswahn oder sogar schwerwiegende psychotische Zustände. Paranoia ist das häufigste Symptom, das im Rahmen einer Psychose auftritt. Ebenso kann Paranoia aber auch bei anderen psychischen Erkrankungen als Symptom auftreten sowie bei Menschen ohne psychiatrische Erkrankungen. Mithilfe von Psychotherapie und Medikamenten kann Paranoia behandelt werden.
Symptomatik Symptome der Paranoia
Paranoide Gedanken drehen sich bei Betroffenen häufig um das Gefühl, dass ihnen jemand mit Absicht psychisches oder körperliches Leid zufügen möchte. Nicht immer geht es jedoch um eine Bedrohung. Häufig beschäftigen sich paranoide Gedanken auch mit der übertriebenen Fehleinschätzung, dass die eigene Person das Ziel der Gedanken oder Handlungen eines anderen ist.
Zu Gedankenmustern, die bei Paranoia immer wieder auftreten, gehören Vorhersagen von Bedrohungen, vorschnelles Ziehen von Schlussfolgerungen aus kleinsten Hinweisen und Schwierigkeiten, die Gedanken, Handlungsweisen und Absichten anderer zu verstehen. Begleitend sind dabei Gefühle und Gedanken wie Angst, Niedergeschlagenheit und Zweifel am Selbstwert.
Derartige Gedanken können vereinzelt auftreten, oft spricht man von Paranoia aber auch im Rahmen von Persönlichkeit. Die Denkmuster, die als typisch paranoid gelten, können demnach als Teil der Persönlichkeit der Betroffenen aufgefasst werden.
Eine solche paranoide Persönlichkeit wird in der wissenschaftlichen Literatur mit der erhöhten Wahrscheinlichkeit in Verbindung gebracht, psychotische Symptome entwickeln zu können: Bei paranoiden Gedanken besteht in der Regel noch ein Bezug zur Realität, wohingegen bei einer Psychose zusätzlich Symptome wie akute Halluzinationen, Wahn, Realitätsverlust oder Ich-Störungen auftreten.
Neben der Wahrnehmung einer individuellen Bedrohung gibt es auch Paranoia, die sich auf größere gesellschaftliche Ereignisse bezieht. So können zum Beispiel Verschwörungstheorien als eine Form von Paranoia aufgefasst werden. Dabei werden geheime Pläne mächtiger und böse gesonnener Gruppen als Erklärung für wichtige Ereignisse herangezogen. Der Glaube an Verschwörungstheorien stellt keine Seltenheit in der breiten Gesellschaft dar. In Wahnvorstellungen werden Verschwörungstheorien jedoch auch oft auf die eigene Person bezogen. Dann werden nicht mehr nur allgemeine Ereignisse erklärt, sondern die eigene Person ins Zentrum der angeblichen Machenschaften gerückt.
Ursachen Ursachen von Paranoia
Die Ursachen für eine Paranoia können vielfältig sein.
Ein Faktor, der zunehmend mit der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Paranoia in Verbindung gebracht wird, sind bestimmte Bindungserfahrungen im frühen Kindesalter. Dabei scheint ein unsicherer Bindungsstil einen Risikofaktor für spätere Paranoia darzustellen. Die Bindungsforschung geht auf den berühmten Kinderarzt John Bowlby zurück. Nach Bowlby kann sich eine unsichere Bindungsstil entwickeln, wenn die Beziehung zwischen der primären Bezugsperson und dem Kleinkind gestört ist, z. B. durch Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch, inkonsistente Zuneigung oder psychische Erkrankungen der Bezugsperson.
Es wird angenommen, dass frühe Erfahrungen mit primären Bezugspersonen zur Entwicklung von "internen Modellen der Verarbeitung" führen, die Vorstellungen von den Reaktionen der Bezugspersonen (Modelle von anderen) und Vorstellungen von Selbstwirksamkeit und Selbstwert (Modelle von sich selbst) beinhalten. Diese Vorstellungen bilden die Grundlage für zukünftige zwischenmenschliche Beziehungen, weshalb frühe Bindungserfahrungen während der Kindheit wesentliche Faktoren für die spätere psychische Gesundheit sind. In einer Metaanalyse, bei der die bestehende Literatur zum Thema Bindung und Paranoia untersucht wurde, wurden Zusammenhänge zwischen unsicherer Bindung und Paranoia gefunden, wobei besonders eine durch Angst geprägte Form von frühkindlicher Bindung mit Paranoia im Erwachsenenalter einherging.
Nach Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, kommt bei Paranoia ein eigener psychischer Abwehrmechanismus zum Einsatz – die „Projektion“: Dabei wird das eigene innere Empfinden nach außen, auf eine andere Person projiziert und ihr zugeschrieben. Laut Freud kann es beispielsweise bei „eifersüchtigen Paranoikern“ und bei „verfolgten Paranoikern“ dazu kommen. Dabei bleiben eigene Empfindungen als solche unbewusst, und gelangen ins Bewusstsein, indem sie anderen zugeschrieben werden. Psychodynamische Erklärungsansätze gehen bei einer paranoiden Persönlichkeit von Konflikten der Selbstdefinition, der personalen Identität sowie des Selbstwerts aus.
Paranoia wird traditionell Erkrankungen zugeordnet, bei denen Psychosen auftreten – wie zum Beispiel Schizophrenie. Es gibt jedoch immer mehr Belege dafür, dass paranoide Gedanken, Zwangsgedanken oder Stimmenhören auch von Menschen ohne psychische Erkrankungen erlebt werden. Gründe für das Auftreten von derartigen Gedanken und Wahrnehmungen können vielfältig sein. In einer Studie aus Großbritannien wurden die Lebensumstände von Menschen, die unter paranoiden Symptomen leiden, untersucht. Dabei ergab sich, dass mit dem Auftreten von Paranoia eine schlechtere psychische und körperliche Gesundheit verbunden ist, dass psychologische Faktoren wie Angst, Sorgen, Schlaflosigkeit oder Suizidgedanken öfter auftreten und dass Menschen, die unter Paranoia leiden, häufig einen höheren Alkohol- oder Cannabiskonsum aufweisen. Es ist jedoch nicht gesichert, ob diese Faktoren direkt zur Entwicklung einer Paranoia führen. Neben psychologischen Ursachen oder Drogen- und Medikamentenkonsum können auch körperliche Ursachen wie Störungen der Gehirnfunktion, die durch Erkrankungen und Verletzungen erfolgen, Paranoia auslösen. Ebenso können Psychosen durch Epilepsie, Gehirnverletzungen oder Demenz entstehen.
Diagnostik Diagnostik von Paranoia
Paranoia tritt als Symptom bei verschiedenen Krankheiten auf, zum Beispiel bei Paranoider Schizophrenie, Paranoider Persönlichkeitsstörung, Suchterkrankungen oder Bipolaren Störungen. In den internationalen Klassifikationsmanualen für körperliche und psychische Erkrankungen ICD-10 und DSM-5, wird zudem von einer Wahnhaften Störung gesprochen, die durch Paranoia geprägt ist. Bei einer solchen wahnhaften Störung stehen Wahnvorstellungen im Vordergrund, die jedoch nicht im Rahmen einer Schizophrenie oder aufgrund der Einnahme von Drogen oder Gehirnschäden auftreten.
Paranoia ist eng mit dem Begriff der Psychose verknüpft, der jedoch uneinheitlich verwendet wird. Bei einer Psychose handelt es sich um einen Zustand, in dem der Kontakt zur Realität und die Leistungsfähigkeit sowie die Einsicht in den eigenen Zustand so sehr beeinträchtigt sind, dass ein normales Leben nicht mehr möglich ist. Psychosen werden entweder als exogen bezeichnet, wenn sie von erkennbaren körperlichen Ursachen ausgelöst werden oder als endogen, wenn die Ursachen psychologischer Natur sind. Paranoia tritt häufig im Rahmen einer Psychose auf, kann bei Menschen, die häufig unter Psychosen leiden, aber auch in nicht-psychotischen Zuständen fortbestehen.
Behandlung Behandlung von Paranoia
Welche Behandlung bei Paranoia angezeigt ist, hängt von der zugrundeliegenden Störung ab. Je nachdem, ob Paranoia im Rahmen einer Schizophrenie, als Folge von Substanzmissbrauch, Gehirnschäden oder als Symptom bei einem sonst stabilen psychischen Zustand vorkommt, sollten spezifische Strategien der Behandlung gewählt werden.
Im Rahmen einer Schizophrenie können Betroffene sehr komplexe Wahnvorstellungen entwickeln. Bei diesen handelt es sich oft um Vorstellungen von Verschwörungen gegen die eigene Person. Durch Kognitive Verhaltenstherapie können diese Wahnvorstellungen abgebaut werden. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Vorstellungen gefährlich für die betroffene Person oder Personen in ihrem Umfeld sind. Es handelt sich dabei um eine Symptombehandlung. Grundlegende Mechanismen der Erkrankung werden dabei nicht angegangen. Paranoide und andere Wahnvorstellungen werden bei einer Psychotherapie mit einem gesprächstherapeutischen Ansatz auf ihre Wahrscheinlichkeit geprüft und alternative Erklärungsmuster für bestimmte Phänomen gefunden. Es ist entscheidend, dass der Therapeut gut nachvollziehen kann, wie ein Wahn entstanden ist und der Logik des Wahns folgen kann. Am besten werden nun noch nicht besonders gefestigte Vorstellungen gemeinsam, von Therapeut und Patient, hinterfragt.
Bei einer paranoiden Persönlichkeitsstörung kann ein psychoanalytischer bzw. tiefenpsychologierscher Therapieansatz, eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapie und weitere Verfahren zur Behandlung gewählt werden. Therapeutische Ziele dabei sind interpersonelle Beziehungen aufzubauen, das Vertrauen in diese Beziehungen zu fördern sowie die Bindungsfähigkeit zu stärken. Bei Konflikten und Krisen arbeitet der Therapeut unterstützend.
Wenn Wahnvorstellungen und Paranoia im Zuge von regelmäßigem Konsum von Substanzmitteln auftauchen, sollte eine Suchtbehandlung vorgenommen werden. Wenn die Paranoia nach längerer Abstinenz weiter auftritt, sind ebenso verhaltenstherapeutische Maßnahmen angezeigt.
Zur Behandlung von Wahn, Paranoia und Zwangsgedanken können Psychopharmaka eingesetzt werden. Besonders wirksam sind sogenannte Neuroleptika. Diese wirken antipsychotisch und haben eine dämpfende Wirkung.
Therapie bei Oberberg Therapie von Paranoia in den Oberberg Kliniken
In den Oberberg Fach- und Tageskliniken für Stressmedizin, Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie unterstützen wir Menschen in schweren seelischen und psychischen Krisensituationen. Wir behandeln mit Paranaoia assoziierte Erkrankungen basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und mit modernen Behandlungsmethoden. Dabei glauben wir fest an das Zusammenwirken von Menschlichkeit, Verbundenheit und Evidenz in einer erstklassigen Umgebung, die von einer herzlichen Atmosphäre aus Achtsamkeit und Zugewandtheit geprägt ist.
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Häufige Fragen F.A.Q. zu Paranoia
Bei einer Psychose handelt es sich um eine Störung, die zum Beispiel im Rahmen einer Schizophrenie auftritt. Der Begriff ist umstritten – meist ist damit ein Zustand gemeint, in dem Betroffene den Bezug zur Realität verlieren und zum Beispiel akute Halluzinationen oder Wahnvorstellungen haben. Oftmals sind die Gedanken während einer Psychose paranoid – Betroffene haben zum Beispiel Angst, dass ihnen jemand Schaden zufügen will. Paranoia tritt allerdings nicht nur in psychotischen Zuständen auf. Auch Menschen, die ihren Alltag gut meistern und die nicht unter einer psychischen Störung leiden, können paranoide Gedanken oder Wahnvorstellungen entwickeln.
Verschwörungstheorien können als eine Form der Paranoia aufgefasst werden. Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, nehmen an, dass sich eine Gruppe mit böser Absicht verschworen hat, um anderen zu schaden. Klassischer Weise wird von Paranoia gesprochen, wenn die betroffene Person Schaden für sich selbst fürchtet. Bei einer Verschwörungstheorie sind die Theorien globaler und beziehen sich auf die Gesamtgesellschaft, zu der die Betroffenen auch gehören. Deshalb handelt es sich um einen Sonderfall von Paranoia. Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, sind deshalb jedoch nicht automatisch psychisch erkrankt.
Eine Psychotherapie kann bei vielen Formen von Paranoia nützlich sein. Vor allem, wenn die Paranoia nicht eindeutig auf körperliche Ursachen zurückzuführen ist, bietet sich eine Psychotherapie zur Behandlung an. An den paranoiden Vorstellungen der Betroffenen zu arbeiten, hilft ihnen, ihren Alltag besser zu meistern und sich selbst und anderen nicht zu schaden. Deshalb ist eine Psychotherapie oft sehr hilfreich, auch wenn sie die Ursachen nicht immer direkt bekämpfen kann. Ergänzend können weitere Behandlungsverfahren eingesetzt werden.
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