Die Bulimie gehört zu den Essstörungen und wird auch als Ess-Brech-Sucht bezeichnet. Sie ist durch unkontrollierbare Ess-Attacken gekennzeichnet, auf die gezieltes Erbrechen, Abführen oder intensiver Sport durch den Betroffenen eingeleitet wird. Bulimie, im medizinischen Kontext auch Bulimia nervosa genannt, kann unbehandelt zu bleibenden Folgeschäden führen oder gar zu tödlichen Komplikationen. Eine psychotherapeutische Behandlung sollte bei einer Bulimie möglichst früh erfolgen.

Symptome & Diagnostik Symptomatik einer Bulimie

Bei einer Bulimia nervosa besteht das Hauptsymptom im regelmäßigen Auftreten von Essanfällen. Bei einem Essanfall wird eine überdurchschnittlich große Menge an Nahrung in einem kurzen Zeitraum konsumiert. Häufig handelt es sich um fett- und zuckerreiche Lebensmittel, manchmal werden tausende Kalorien verzehrt. Dabei erleben Betroffene das Gefühl eines Kontrollverlusts darüber, was und wie viel sie essen. Sie sind unfähig mit dem Essen während des Anfalls aufzuhören.

Das Selbstwertgefühl von Personen mit Bulimie hängt stark von ihrem Körpergewicht und ihrer Figur ab. Sie sind in der Regel normalgewichtig, beschäftigen sich aber übermäßig viel mit ihrem Körperbild.

In Folge dessen kommt es nach einer Essattacke aus Angst vor einer Gewichtszunahme zu einem kompensatorischen Verhalten: Das können Maßnahmen sein wie induziertes Erbrechen, Einnahme von Appetitzüglern, übermäßiges Treiben von Sport, Hungern, Fasten oder die Einnahme von Medikamenten wie Abführmitteln und entwässernden Stoffen.

 

In der Diagnostik wird bei Bulimie zwischen einem „Purging Typ“ und einem „Non-Purging Typ“ differenziert, wobei häufiger der Purging Typ unter Bulimie-Erkrankten zu finden ist. Bei Purging-Verhalten kommt es zu Erbrechen oder Abführen als Kompensation eines Essanfalls, bei Non-Purging-Verhalten zu Fasten oder übermäßigem Sport.

Für die Diagnose einer Bulimia nervosa nach ICD-10, einem internationalen Klassifikationsmanual von Krankheiten, treten Essanfälle mindestens zweimal wöchentlich über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten auf. Damit einher geht bei einer Bulimie eine durchgehende gedankliche Beschäftigung mit dem Thema Essen und ein unkontrollierbares Bedürfnis zu essen. Die Betroffenen haben eine ständige Angst zu dick zu sein oder zuzunehmen.

Betroffene von einer Bulimie sind sich der Pathologie ihres Verhaltens bewusst und haben einen Leidensdruck. Ausgelöst werden die Heißhungerattacken durch psychischen Stress, emotionale Faktoren wie Unzufriedenheit mit sich selbst oder einem Gefühl von Verlassenheit.

Komplikationen & Folgen Komplikationen und Folgen einer Bulimie

Eine Bulimie-Erkrankung kann vor allem, wenn sie über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten wird, gravierende körperliche Schäden haben. Deshalb ist eine psychotherapeutische Behandlung wichtig und sollte so früh wie möglich erfolgen.

  • Hirnveränderungen (in jedem 2. Fall)
  • Magenerweiterung
  • Magenruptur
  • Speiseröhre-Entzündungen
  • Herzprobleme
  • Nierenschäden
  • Ohrenspeicheldrüsen-Schwellungen („Hamsterbacken“)
  • Fingerknöchel-Narben (durch Induzieren von Erbrechen)
  • Zahnsubstanz-Schäden
  • Unter- oder Übergewicht
  • Verdauungssystem-Störungen
  • Herz-Kreislauf-Störungen
  • Haarausfall
  • Konzentrationsprobleme
  • Nährstoffmangel
  • Zyklusstörungen
  • Unfruchtbarkeit
  • Elektrolytstörungen
  • Wasserhaushaltstörungen
  • Osteoporose
  • Tod
  • Suizidalität erhöht
  • Schamgefühle
  • Sozialer Rückzug
  • Hunger und Sättigungsgefühl gestört
  • Psychische Begleiterkrankungen wie Depression
  • Körperbildstörungen
  • Überanpassung an Familie/Gruppe
  • Autoaggressives Verhalten
  • Substanzmissbrauch
  • Finanzielle Probleme (durch große Einkäufe)
  • Abbruch von Kontakten
  • Karrieredrang

Häufigkeit von Bulimie

Auf das gesamte Leben gerechnet (Lebenszeitprävalenz) sind ca. 13-17 von 1.000 Mädchen/Frauen von einer Bulimie betroffen.  Niedriger liegt die Lebenszeitprävalenz von Jungen/Männern mit ca. 1-5 von 1.000.

 

Das Alter von 12-35 Jahren gilt als höchstes Risikoalter für eine Bulimie. Dabei sind 0,5 – 1,2% der Mädchen/Frauen betroffen.

Ursachen & Auslöser Entstehung einer Bulimie

Die Ursachen einer Bulimia nervosa werden in der Wissenschaft aus multidimensionaler Sicht betrachtet. Das heißt, dass ein Zusammenspiel somatischer (körperlicher), psychologischer und sozialer Faktoren vorliegt.

Als somatische Einflüsse gilt ein erhöhtes Körpergewicht vor der Erkrankung.

Zu den psychischen Faktoren zählen ein niedriger Selbstwert, Neigung zu Perfektionismus, Missbrauchs- und Gewalterfahrungen sowie körperliche Vernachlässigung.

Als soziale Risikofaktoren zählen ein gestörtes Essverhalten und Überbetonung von Schlankheit in der Familie, Suchterkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen in der Familie, Konflikte (v.a. in der Familie), ein Schönheitsideal von Schlankheit in der Gesellschaft und das Betreiben von Leistungssport, bei dem Schlankheit und niedriges Körpergewicht wichtig sind.

 

Auslöser einer Bulimie können belastende Lebensereignisse wie der Tod eines Angehörigen, die Trennung der Eltern, das Ende einer Liebesbeziehung, ein Umzug, Mobbingerfahrungen oder durch die Pubertät ausgelöste Veränderungen am Körper sein.

Unterschiedliche Strömungen der Psychologie sehen verschiedene Faktoren als ursächlich für die Entstehung einer Bulimie an.

  • Aus psychoanalytischer Sicht werden als Ursachen einer Bulimie bereits im Kindesalter gemachte Erfahrungen mit den Bereichen Essen und Körperwahrnehmung aufgrund eines spezifischen Verhaltens der Bezugspersonen angesehen.
  • Eine systemische Perspektive geht bei der Entwicklung von Essstörungen davon aus, dass die betroffene Person als Symptomträger die Stabilität ihres familiären Systems aufrechterhalten will. Das veränderte Essverhalten soll bestimmte Funktionen erfüllen, wie zum Beispiel offene Konflikte zwischen den Eltern zu vermeiden.
  • Eine psychodynamische Sicht hingegen sieht die Bulimie als verzweifelter Versuch, sich in eine stereotype feminine Rolle einzupassen, was sich in einem Streben nach Dünnsein und einer hilflosen Einstellung zum Leben manifestiert. Die (Selbst-)Kontrolle des Gewichts wird auch als Ersatz der mangelnden Kontrolle über wichtige Angelegenheit und die Welt gesehen.

Therapie Behandlung einer Bulimie

Eine Psychotherapie in Form einer Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) ist das Behandlungsverfahren erster Wahl bei einer Bulimie. Auch eine Interpersonelle Psychotherapie (IPT) wird häufig durchgeführt. Des Weiteren sind eine psychoanalytisch orientierte Therapie oder eine Familientherapie mögliche Behandlungsformen. Insbesondere bei minderjährigen Betroffenen ist der Einbezug der Familie in den therapeutischen Kontext ein wichtiger Aspekt.

 

Dies kann meist im ambulanten Behandlungsformat oder bei schwererer Beeinträchtigung auch im tagesklinischen Format oder stationärer Behandlung erfolgen. Anstelle des klassischen Formats der Einzeltherapiesitzungen kann die Psychotherapie auch als Gruppentherapie erfolgen. Ein Besuch von Selbsthilfegruppen parallel zur Therapie und im Nachhinein wird empfohlen.

 

Bei der Behandlung von Bulimie wird zunächst versucht, an der häufig auftretenden Mangelernährung zu arbeiten. Dazu werden Essenspläne entwickelt und Zielvereinbarungen zwischen Therapeutin und Patientin getroffen. Langsam soll das Essverhalten normalisiert werden. Zusätzlich dazu wird an den psychischen Ursachen der Erkrankung gearbeitet.

Begleitend können bei einer Bulimie zu einer Psychotherapie noch Psychopharmaka verabreicht werden. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn neben der Essstörung auch depressive Symptome oder Symptome einer Angststörung vorliegen. Dann können Antidepressiva gegeben werden. Der selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Fluoxetin ist ein zugelassenes Medikament für Bulimie.

 

Ziele der Therapie:

  • Essverhalten normalisieren (regelmäßig und in normaler Menge)
  • Essanfälle sowie Erbrechen und gewichtsreduzierende Maßnahmen verhindern
  • Realistische Körperwahrnehmung entwickeln
  • Angstabbau vor dem „zu dick werden“
  • Akzeptanz und Wertschätzung des Körpers
  • Selbstwertgefühl steigern
  • Ursächliche Konflikte im inner- und interpersonalen Bereich bearbeiten

Behandlung von Bulimie in den Oberberg Kliniken

In den Oberberg Fachkliniken für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie unterstützen wir Menschen in schweren seelischen und psychischen Krisensituationen. Auch die Bulimie fällt in unseren Behandlungsrahmen, unabhängig des Alters der Betroffenen. In einer heilsamen Umgebung behandeln wir mit effizienten Behandlungskonzepten und berücksichtigen individuelle Wünsche und Bedürfnisse. Dabei glauben wir fest an das Zusammenwirken von Menschlichkeit, Verbundenheit und Evidenz. In einer erstklassigen Umgebung, die von einer herzlichen Atmosphäre aus Achtsamkeit, Zugewandtheit, Respekt und gegenseitigem Vertrauen geprägt ist, stehen zahlreiche Therapieverfahren zu Verfügung, die in einen individuellen Therapieplan kombiniert werden können.

Häufig gestellte Fragen FAQ

Im internationalen Klassifikationsverzeichnis von Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen ICD-10 sind als Essstörungen neben Bulimie die Essstörung Anorexia nervosa, die Binge-Eating-Störung, das Pica-Syndrom, Fütterungsstörungen und Mischformen von Essstörungen aufgelistet. Sie unterscheiden sich stark in ihrer Symptomatik.

Bulimie bedeutet wörtlich „Ochsenhunger“. Damit wird Bezug zu den wiederkehrenden Essanfällen genommen, die bei einer Bulimie als Symptom auftreten. Es werden häufig tausende von Kalorien in einem Essanfall verzehrt. Nach dem Essen der großen Nahrungsmenge versuchen Menschen mit einer Bulimie durch kompensatorisches Verhalten eine Gewichtszunahme zu verhindern.

Unterschiede zwischen den beiden Essstörungen Bulimie und Anorexie lässt sich in vielerlei Bereichen finden: Während Bulimie-Kranke sich meist für ihr Essverhalten schämen, bei denen es nach Essanfällen zu Maßnahmen der Gewichtsabnahme kommt, sind Anorexie-Kranke oft stolz, ein Untergewicht durch Maßnahmen der Gewichtsabnahme zu erreichen. Fettreiche und zuckerhaltige Lebensmittel werden von Anorexie-Kranken vermieden. Bulimie-Kranke meiden solche Lebensmittel bei ihrem alltäglichen Essverhalten, konsumieren diese jedoch in Essanfällen dann exzessiv. Bei Bulimie-Kranken liegt meist ein Normalgewicht vor, bei Anorexie-Kranken Untergewicht. Bei einer Bulimie wird eine schlanke Figur angestrebt welche häufig dem westlichen Schönheitsideal entspricht, bei einer Anorexie wird ein starkes Untergewicht mit möglichst niedrigen Körperfettanteil abgezielt.

Obwohl Essstörungen viel häufiger bei Mädchen und Frauen auftreten, können genauso auch Jungen und Männer daran erkranken. Die Symptomatik ist meist sehr ähnlich. Häufig wird aber anstelle der angestrebten Schlanksein bei Mädchen/Frauen, bei Jungen/Männern ein möglichst durchtrainierter und muskulöser Körper angestrebt.

Die Ziele einer psychotherapeutischen Behandlung bei einer Bulimia nervosa sind: Das Essverhalten zu normalisieren (regelmäßig und in normaler Menge zu essen), Essanfälle sowie Erbrechen und gewichtsreduzierende Maßnahmen zu verhindern und Abbau der Angst vor dem „zu dick werden“. Menschen mit einer Bulimie sollen lernen eine realistische Körperwahrnehmung zu entwickeln und ihren Körper zu akzeptieren und wertzuschätzen. Das Selbstwertgefühl der an der Essstörung erkrankten Menschen soll gesteigert werden. Für die Krankheit ursächliche Konflikte sollen im inner- und interpersonalen Bereich bearbeitet werden.

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