In letzter Zeit wird häufiger über die Alexithymie gesprochen, bei der es sich um eine Art dauerhafte Gefühlskälte handelt. Die Betroffenen scheinen eine stark reduzierte Gefühlswelt zu besitzen. Das wirkt sich oft nachteilig auf ihre Beziehungen auf und kann somit auch starke negative Auswirkungen auf die Selbstliebe und -akzeptanz haben. Doch was steckt hinter der Gefühlskälte und können die Betroffenen zurück in ein "normales" Emotionsspektrum springen?
Beschwerdebild Allgemeines zum Beschwerdebild der Alexithymie/Gefühlskälte
Der Begriff wurde im Jahr 1973 zum ersten Mal definiert. Verantwortlich waren die US-amerikanischen Psychiater John Case Nemiah und Peter Emanuel Sifneos. Sie bemerkten Patientinnen und Patienten, die ihr eigenen Gefühle nicht richtig wahrnehmen konnten und auch nicht in der Lage waren, diese in eigenen Worten zu beschreiben. Die beiden Experten stellten außerdem fest, dass es keine körperlichen Ursachen für die Beschwerden gibt. Das beschriebene Krankheitsbild haben sie daher den somatoformen Störungen zugeordnet.
Beim Wort Alexithymie handelt es sich um ein Kunstwort. Die einzelnen Wortteile "a-", "he léxis" und "ho thymós" bedeuten zusammengenommen und in die deutsche Sprache übersetzt soviel wie "Unfähigkeit, die eigenen Gefühle zu lesen". Wer betroffen ist, erlebt also häufig Probleme im Umgang mit den eigenen Gefühlen. Es geht vor allem darum, dass man seine eigene Gefühlswelt nicht erfassen kann. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass die Person nicht richtig wütend werden kann, aber auch nur eingeschränkt Freude empfindet. Es können alle Emotionen von diesem Beschwerdebild betroffen sein.
Häufig ist den von Gefühlskälte betroffenen nicht selbst klar, dass sie alexithym sind. Die Erkenntnis reift erst dann, wenn andere Menschen sie wiederholt darauf aufmerksam machen und möglicherweise auch abweisend reagieren. Die Betroffenen werden von anderen unter anderem als kalt, langweilig oder emotionslos beschrieben. Diese Zuschreibungen sind wenig schmeichelhaft, was erklärt, dass mit dem Phänomen häufig auch eine Störung der eigenen Beziehungen einhergeht.
Alexithyme sind durchaus in der Lage zu fühlen
Viele Menschen glauben, dass alexithyme Menschen kein Emotionserleben hätten. Das trifft aber nur bei einigen Betroffenen zu und lässt sich daher nicht pauschal verallgemeinern. Andere Betroffene erleben in emotionalen Situationen zwar keine regulären Gefühle, doch stattdessen können sie eine innere Erregung oder Anspannung wahrnehmen. Diese Spannung ist häufig diffus und lässt sich nicht zuordnen. Tatsächlich handelt es sich aber um die nicht richtig wahrgenommenen Gefühle.
Krankheit Persönlichkeitsstörung, Krankheit oder doch etwas anderes?
Die Alexithymie lässt sich nur schwer einordnen. Nachdem sie in den 70ern entdeckt wurde, kamen erste Diskussionen auf, ob es sich um eine Persönlichkeitsstörung handeln könnte. Dann wären die Beschwerden zum Beispiel mit der Abhängigen, der Zwanghaften oder der Ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung gleichzusetzen. Letztendlich wurde daran aber nicht festgehalten, sodass es sich offiziell nicht um eine Persönlichkeitsstörung handelt.
Offenbar kann man auch nicht von einer gewöhnlichen Erkrankung sprechen, sodass die Alexithymie nicht in dieselbe Kategorie wie eine Depression oder die Schizophrenie fällt. Viel wahrscheinlicher ist, dass es eine stark ausgeprägte Eigenschaft der Persönlichkeit oder ein Persönlichkeitszug ist. Man spricht hier auch von einer geringen emotionalen Intelligenz, die zunächst eine menschliche Eigenschaft wie jede andere ist. Doch bei alexithymen Menschen ist sie vermutlich in frühen Jahren des Lebens auf besondere Umstände getroffen, wodurch sich der Persönlichkeitszug in ein Extrem weiterentwickelt hat.
Andere Quellen sprechen davon, dass es sich bei der Gefühlskälte um eine Bindungsstörung oder um ein Affektregulations-Defizit handelt. Eindeutig lässt sich das aber zurzeit noch nicht sagen. Rund um die ungewöhnliche Gefühlswelt der Betroffenen ist aufgrund fehlender Studien noch vieles unklar. Was wir jedoch wissen, ist: Nicht alle Alexithymen leiden. Für manche funktioniert es gut, eine gering ausgeprägte Gefühlswelt zu besitzen. Sie leiden häufig auch nicht unter der beschriebenen Erregung. Es gibt allerdings Betroffene, die gern etwas ändern möchten, zum Beispiel weil ihre Beziehungen nicht funktionieren.
Ursachen Warum eine Alexithymie auftritt
Die Ursachen der Störung sind ebenfalls noch weitgehend unklar. Wie bereits beschrieben, verfügen die Betroffenen häufig unter einer gering ausgeprägten emotionalen Intelligenz. Der Begriff der emotionalen Intelligenz beschreibt die Fähigkeit, die eigenen Emotionen und die Emotionen anderer Menschen richtig wahrzunehmen und zu verstehen. Wie jede andere Form der Intelligenz kann diese stärker oder weniger stark ausgeprägt sein. Das ist ganz normal.
Bei alexithymen Menschen ist die Gefühlskälte jedoch außerordentlich stark ausgeprägt - stärker, als es das Spektrum der emotionalen Intelligenz zulassen würde. Daher gehen Experten davon aus, dass noch weitere Faktoren als Auslöser eine Rolle spielen. Es wird vermutet, dass die Betroffenen eine emotionslose oder abgekühlte Kindheit erlebt haben, doch wissenschaftliche Belege für diese Aussage stehen bisher noch aus.
Aber wenn ein Kind mit einer gering ausgeprägten emotionalen Intelligenz in der Familie ebenfalls nur Gefühlskälte beobachtet, ist nachvollziehbar, dass das Defizit in dieser Situation nicht aufgeholt werden kann. So ist es häufig auch bei fehlender Selbstliebe, die ihren Ursprung in der eigenen Familie haben kann. Im ungünstigsten Fall manifestiert sich die Eigenschaft oder tritt in Zukunft besonders stark auf, sodass es nicht möglich ist, in eine intensiv erlebte Gefühlswelt zu springen.
Wer besonders häufig von Alexithymie betroffen ist
Das alexithyme Störungsbild scheint in einigen Familie gehäuft aufzutreten. Die Wahrscheinlichkeit, an der Störung zu leiden, ist also erhöht, wenn auch die Eltern betroffen sind. Das lässt die Vermutung zu, dass es auch eine genetische Komponente gibt. Allerdings ist auch diese Aussage bisher noch nicht wissenschaftlich untermauert, da es leider noch an Studien mangelt.
Nicht zu verwechseln ist das Störungsbild mit anderen Erkrankungen und Störungen, die auf den ersten Blick ebenfalls gefühlskalt auf andere wirken. Verwechselt wird die Alexithymie zum Beispiel häufig mit der Psychopathie, der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung und der Schizoiden Persönlichkeitsstörung. Auch Autisten und Asperger werden häufig als alexithym beschrieben, was aber nicht zwangsläufig auch richtig ist. Für eine Diagnose kommt es darauf an, ob die Person in der Lage ist, ihre Gefühle zu erkennen und wahrzunehmen. Das trifft auf diese Patientengruppen aber häufig zu, sodass man nicht zwangsläufig von Alexithymen sprechen kann.
Verbreitung Gefühlskälte Häufigkeit der Alexithymie in der Bevölkerung
Es ist erstaunlich, dass bisher nur sehr wenig über das Störungsbild bekannt ist. Glaubt man den Quellen, sind ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Das bedeutet, dass jeder mehr als eine betroffene Person kennt. Doch in den letzten Jahren steigt das Interesse, sodass auch die Nachfrage an Behandlungen und Therapien zunimmt.
Therapie bei Oberberg Behandlung für alexithyme Menschen in den Oberberg Kliniken
Wer unter Alexithymie leidet und die Störung überwinden möchte, sollte sich an gut ausgebildete und erfahrene Psychotherapeuten wenden. Das lässt sich auch mit einem Aufenthalt in der deutschlandweit vertretenen Oberberg Kliniken verbinden. Bei der Therapie der alexithymen Störung geht es vor allem darum, den Betroffenen dabei zu helfen, ihre Emotionen korrekt wahrzunehmen. Sie können lernen, ihre Gefühlswelt vollständig wahrzunehmen und die Gefühlskälte zu überwinden. Dazu kommen unter anderem spezielle Trainings der Emotionen zum Einsatz. Eine erfolgreiche Therapie kann dazu beitragen, dass sich auch die eigenen Beziehungen wieder verbessern. Die Behandlung ist also sehr zu empfehlen, sofern Leidensdruck vorliegt.
FAQ
Wer von diesem Zustand betroffen ist, leidet unter Gefühlskälte. Man spricht auch von einer Gefühlsblindheit. Betroffene zeichnen sich also dadurch aus, dass sie ihre eigenen Gefühle nicht oder nicht richtig wahrnehmen können, diese nicht verstehen und sie auch nicht in der Lage sind, sie in Worte zu fassen.
Bisher ist noch nicht klar, warum manche Menschen alexithym werden. Psychologen vermuten jedoch, dass die Auslöser in der Kindheit liegen könnten. Möglicherweise liegt zusätzlich auch eine genetische Disposition vor. Doch bevor hier genauere Aussagen gemacht werden können, sind weitere Studien erforderlich.
Menschen mit dem Beschwerdebild zeichnen sich dadurch aus, dass sie kaum tiefe Emotionen zu erleben scheinen. Das kann alle Gefühle betreffen, darunter Freude, Trauer und Wut. Die Betroffenen fallen dadurch auf, dass sie nur wenige oder nur oberflächliche Emotionen zeigen können. Tatsächlich erleben sie aber durchaus Gefühle, können diese nur nicht zuordnen, sondern durchleben stattdessen diffuse Erregungszustände. Es gibt unterschiedliche Schweregrade bei dieser Erkrankung.
Alexithyme Menschen fühlen sich teilweise sehr unwohl mit ihren Beschwerden und leiden unter ihrer Gefühlsblindheit. Die stattdessen auftretende unklare Erregung kann für sie sehr belastend sein. Viele Betroffene sind daher bereit, sich behandeln zu lassen. Es gibt allerdings auch Betroffene, die mit ihrer Situation gut leben können und sie sogar als angenehm empfinden.
Wer selbst betroffen ist und etwas ändern möchte, findet Hilfe in der Psychotherapie. Häufig sind die Gefühle durchaus da, man muss nur lernen, sie korrekt zuzuordnen. Die Mittel der Wahl sind unter anderem Achtsamkeits- und Emotionstrainings. Anlaufstellen für eine kompetente und professionelle Behandlung sind die deutschlandweit vertretenen Oberberg Kliniken.
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