Beinahe jeder Mensch leidet irgendwann im Laufe seines Lebens an “unklaren” Beschwerden. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Schmerzen im Kopf, in den Gliedern, im Rücken oder im Bauchraum. Hinzu kommen häufig Atem- oder Herzbeschwerden wie Herzrasen oder Schwindelgefühl und Verdauungsprobleme.
“Unklar” heißt im medizinischen Sinn, dass für diese anhaltenden oder immer wiederkehrenden, zumeist chronischen Beschwerden trotz modernster Diagnostik keine organischen Ursachen gefunden werden. Wenn somatische Störungen („Befunde“) vorhanden sind, erklären sie nicht die Art und das Ausmaß der Symptome, das Leiden und die innerliche Beteiligung des Patienten.
Wenn diese Beschwerden dann über einen größeren Zeitraum (in der Regel länger als 2 Jahre) anhalten und das Leben der Betroffenen beeinträchtigen, handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine Form einer Somatoformen Störung. Nach der Depression und der Angststörung sind Somatoforme Störungen die dritthäufigste psychische Erkrankung in Deutschland. Statistisch erkranken 12 von 100 Menschen einmal im Leben an einer Somatoformen Störung – Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer.
Unterschiedliche Krankheitsbilder Somatoforme Störungen besitzen viele Facetten
Typisch für Somatoforme Störungen (nach ICD-10 F45) sind immer wiederkehrende, häufig chronische Beschwerden oder Schmerzen, bei denen organische Ursachen jedoch nachweislich weitgehend ausgeschlossen werden können. Das international gültige Klassifikationssystem ICD-10 definiert folgende Unterarten der Somatoformen Störungen:
Somatisierungsstörung (F45.0)
Sie tritt zumeist vor dem 30. Lebensjahr auf und ist gekennzeichnet von wechselnden, multiplen und wiederholt auftretenden körperlichen Symptomen, die jahrelang (mindestens zwei Jahre) anhalten. Der Leidensdruck ist sehr hoch, die Betroffenen können im normalen Alltag häufig nicht mehr richtig “funktionieren” und haben oft auch eine lange und komplizierte Patienten-Karriere hinter sich; sowohl in der Primärversorgung als auch in spezialisierten medizinischen Einrichtungen, wo jedoch weder aufwändige Untersuchungen noch explorative Operationen (!) zu einer eindeutigen Diagnose geführt haben. Die Symptome können sich auf jedes Körperteil oder jedes System des Körpers beziehen. Der Verlauf der Störung ist chronisch, fluktuierend und häufig mit einer langdauernden Störung des sozialen, zwischenmenschlichen und familiären Verhaltens verbunden.
Eine kürzer andauernde (weniger als zwei Jahre) und weniger auffallende Symptomatik wird besser unter F45.1 klassifiziert (undifferenzierte Somatisierungsstörung).
Vorherrschendes Kennzeichen ist nach ICD-10 eine beharrliche Beschäftigung mit der Möglichkeit, an einer oder mehreren schweren und fortschreitenden körperlichen Krankheiten zu leiden. Die Patienten manifestieren anhaltende körperliche Beschwerden oder anhaltende Beschäftigung mit ihren körperlichen Phänomenen. Normale oder allgemeine Körperwahrnehmungen und Symptome werden von den Betroffenen oft als abnorm und belastend interpretiert, die Aufmerksamkeit meist auf nur ein oder zwei Organe oder Organsysteme des Körpers fokussiert. Depression und Angst kommen dabei häufig hinzu und können dann zusätzliche Diagnosen rechtfertigen.
Die Betroffenen haben ständig das Gefühl, ernsthaft erkrankt zu sein, zum Beispiel an Krebs, obwohl sie meist über einen langen Zeitraum keine körperlichen Beschwerden (Schmerzen) haben. Wenn dieses Gefühl länger als ein halbes Jahr anhält, kann man bereits von einer Hypochondrischen Störung sprechen. Treten dann tatsächlich körperliche Beschwerden auf, werden sie als Symptome der jeweiligen Krankheit gedeutet. Selbst wenn mehrere Diagnosen eindeutig gegen das Vorliegen der befürchteten Erkrankung sprechen, kann das den Betroffenen nicht ihre Angst nehmen.
Eine besondere Form der hypochondrischen Störung ist die Körperdysmorphobe Störung. Dabei wird ein Körperteil oder ein Körpermerkmal entgegen ärztlicher Bewertung als pathologisch oder entstellend erlebt und führt zu zunehmendem Leiden und nicht selten zu plastisch-chirurgischen Eingriffen (zum Beispiel Brustvergrößerungen oder Lifting).
Dabei handelt es sich um Funktionsstörungen respektive Beschwerden, die konkrete innere Organe oder Organsysteme betreffen. Die Symptome werden von den Patientinnen und Patienten so geschildert, als beruhten sie auf der körperlichen Krankheit eines Systems oder eines Organs, das weitgehend oder vollständig vegetativ innerviert und kontrolliert wird, so etwa des kardiovaskulären, des gastrointestinalen, des respiratorischen oder des urogenitalen Systems. Es finden sich meist zwei Symptomgruppen, die beide nicht auf eine körperliche Krankheit des betreffenden Organs oder Systems hinweisen. Die erste Gruppe umfasst Beschwerden, die auf objektivierbaren Symptomen der vegetativen Stimulation beruhen wie etwa Herzklopfen, Schwitzen, Erröten und Zittern. Sie sind Ausdruck der Furcht vor und der Beeinträchtigung durch eine(r) somatische(n) Störung. Die zweite Gruppe beinhaltet subjektive Beschwerden unspezifischer und wechselnder Natur, wie flüchtige Schmerzen, Brennen, Schwere, Enge und Gefühle, aufgebläht oder auseinander gezogen zu werden, die dann von den Patientinnen und Patienten einem spezifischen Organ oder System zugeordnet werden.
Sie ist von ständigen und chronischen Schmerzen (über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten und darüber hinaus) in einer bestimmten Körperregion, der permanenten Auseinandersetzung mit den Schmerzen und daher ebenfalls von massivem Leidensdruck gekennzeichnet (F45.40). In vielen Fällen wird bei den Betroffenen zunächst eine körperliche Ursache für die Beschwerden diagnostiziert (F45.41) – zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall –, doch die Schmerzen bleiben weiterhin bestehen, obwohl die Ursache inzwischen (durch eine Bandscheiben-Operation und Reha-Maßnahmen) behoben werden konnte.
Folgende Unterarten werden unterschieden:
Anhaltende Somatoforme Schmerzstörung (F45.40)
Die vorherrschende Beschwerde ist ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht hinreichend erklärt werden kann. Er tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen auf, denen die Hauptrolle für Beginn, Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen zukommt. Die Folge ist meist eine beträchtlich gesteigerte persönliche oder medizinische Hilfe und Unterstützung.
Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41)
Im Vordergrund des klinischen Bildes stehen seit mindestens 6 Monaten bestehende Schmerzen in einer oder mehreren anatomischen Regionen, die ihren Ausgangspunkt in einem physiologischen Prozess oder einer körperlichen Störung haben. Psychischen Faktoren wird eine wichtige Rolle für Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen beigemessen, jedoch nicht die ursächliche Rolle für deren Beginn. Der Schmerz verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden und Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Der Schmerz wird nicht absichtlich erzeugt oder vorgetäuscht (wie bei der vorgetäuschten Störung oder Simulation). Schmerzstörungen insbesondere im Zusammenhang mit einer affektiven Angst-, Somatisierungs- oder psychotischen Störung sollen hier nicht berücksichtigt werden.
Wenn psychische Phänomene sich in körperlichen (somatischen) Symptomen ausdrücken, spricht man von einer Konversionsstörung (F44.8). Sie kann in jedem Lebensalter entstehen, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die typischen Symptome einer Konversionsstörung entwickeln sich zumeist direkt im Anschluss an ein belastendes Lebensereignis: Sie reichen von (scheinbaren) Störungen der motorischen oder sensorischen Funktionen über Schüttelbewegungen, abnormen Stellungen von Armen und Beinen bis hin zu einem eingeschränkten Bewusstsein. Patientinnen und Patienten klagen über Koordinationsschwierigkeiten, Gleichgewichtsstörungen, Lähmungserscheinungen, Krampfanfällen bis hin zu Blind- oder Taubheit, dem Sehen von Doppelbildern, Schwierigkeiten beim Schlucken („Kloß im Hals“) und „Harnverhalt“ (wenn sie ihre Blase nicht vollständig entleeren können).
Ich habe fast vier Jahre lang an chronischen Schmerzen in meinen Beinen und Armen gelitten, aber jeder Arzt schüttelte nach der Untersuchung den Kopf und sagte, ‘da ist nichts’. Meine Schmerzen waren aber nun mal da und keineswegs eingebildet.
Symptome in der Diagnostik - Anzeichen für eine Somatoforme Störung
Die Somatoforme Störung wird stets von einem breiten Spektrum an Symptomen geprägt. Für die genaue Diagnose einer Somatoformen Störung gelten die Symptome in einem der folgenden vier Bereiche als zwingende Voraussetzung:
Schmerzsymptome des Skelettapparats: Rücken-, Bauch-, Glieder- oder Kopfschmerzen
Schmerzsymptome im Magen-Darm-Bereich: Übelkeit, Durchfall, Verstopfung oder Lebensmittelunverträglichkeiten
Sexuelle Störungen: Verlust der Libido, sexuelle Gleichgültigkeit, Erektionsstörungen, unregelmäßige Menstruation
Neurologische Symptome: Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, Seh- und Hörstörungen
Auch für erfahrene Mediziner ist es jedoch nicht immer einfach, eine Somatisierungsstörung von anderen (körperlichen) Erkrankungen abzugrenzen. Die Diagnose einer Somatoformen Störung erfordert – neben dem hinreichenden Ausschluss einer zugrundeliegenden körperlichen Erkrankung – daher immer einen „positiven“ Nachweis einer zugrundeliegenden psychischen Entwicklungsdynamik des jeweiligen Beschwerdebildes.
Psychosomatik Wie eine Somatoforme Störung entsteht
“Das… ist mir total auf den Magen geschlagen!” Vermutlich kennt jeder diesen Satz, der nichts anderes bedeutet, als dass der Körper auf einen individuellen “psychischen” Auslöser wie etwa Stress oder eine besonders belastende Lebenssituation mit einer mehr oder weniger heftigen Reaktion antwortet.
Zu einer Somatoformen Störung kommt es erst, wenn dieser körperliche Prozess über einen längeren Zeitraum intensiv („wie durch eine Lupe“) wahrgenommen wird – und die Betroffenen sich mit der Frage konfrontiert sehen, ob das Herzrasen, der Durchfall, die schmerzhafte Schulterverspannung oder die chronischen Kopfschmerzen vielleicht auf eine ernsthafte Erkrankung hindeuten könnten. Je intensiver sie ihre Aufmerksamkeit nun auf ihre akuten Beschwerden lenken, desto stärker werden die Symptome empfunden, und desto mehr wächst auch deren Bedeutung.
Spätestens jetzt versuchen viele Betroffene, diesen Ursachen „auf den Grund“ zu gehen. Dafür ziehen sie – in der Regel zahlreiche – Ärzte zu Rate, aber selbst die wiederholte Bestätigung, dass bei ihnen kein erheblicher und erklärender körperlicher Befund (und damit auch keine befürchtete schwere Erkrankung) vorhanden ist, kann sie nicht beruhigen, da ja die Symptome – die zumeist chronischen Schmerzen – nach wie vor vorhanden sind.
Eine Odyssee durch Wartezimmer und Notaufnahmen
Die Folge: Patientinnen und Patienten mit einer Somatoformen Störung gehen – sprichwörtlich – von “Pontius zu Pilatus”; zu Medizinern der verschiedensten Fachrichtungen (nicht selten zu „Koryphäen“ oder auch zu alternativmedizinischen Diagnostikern und Therapeuten), um letztlich eine Diagnose zu erhalten, die ihren Befürchtungen entspricht.
Viele Menschen mit einer Somatoformen Störung neigen zusätzlich dazu, sich zu schonen. Vor allem versuchen sie, körperliche Aktivität auf ein Minimum zu reduzieren – doch auf längere Sicht verschlechtern sie gerade mit solchen Vermeidungsstrategien ihre allgemeine körperliche Verfassung.
Aus diesem Kreislauf kommen die Betroffenen selbständig oft nicht mehr heraus. Ihre Beschwerden verschlimmern sich zusehends und ihr gesamtes Leben wird dadurch – häufig über viele Jahre – immer stärker beeinträchtigt.
Zusammenfasend kann man sagen, dass unterschiedliche körperliche, seelische, aber auch soziale Lebensumstände dazu beitragen, dass Menschen eine somatoforme Störung entwickeln. Denn die “eine Ursache” für diese häufige psychische Krankheit in all ihren Facetten gibt es nicht.
Der schmerzhafte Einfluss der Seele auf den Körper
Wer an einer Somatoformen Störung leidet, ist zumeist besonders stress- und schmerzempfindlich. Tatsächlich spielt die Psyche für das Entstehen und den weiteren Verlauf dieser Erkrankung die entscheidende Rolle. Gleichzeitig macht das Krankheitsbild deutlich, wie nah seelische Schmerzen und körperliche Beschwerden wie chronische Schmerzen beieinander liegen.
Durch diese enge Verknüpfung der Schmerzsysteme – dies geschieht auf der neurobiologischen Ebene, über Stresshormone und das vegetative Nervensystem – erleben die Betroffenen beispielsweise eine bewusste Ausgrenzung (wie Mobbing im Beruf) nicht nur seelisch als schmerzhaft. Tatsächlich werden bei ihnen auch Schmerzareale im Gehirn aktiviert, die gleichzeitig auch die “Gefühle” beherbergen. Diese unheilvolle Verbindung von (körperlichem) chronischem Schmerz und negativen Gefühlen lassen sich durch Durchblutungsmessungen des neuronalen Netzwerks im Gehirn sogar sichtbar machen (funktionelles MRT).
Hinzu kommt, dass sich Seele und der Körper “erinnern” können: Es gibt viele wissenschaftlich belegbare Hinweise darauf, dass die genetische Veranlagung (zum Beispiel ein erhöhtes Stress- und Schmerzempfinden) in Verbindung mit traumatischen Erlebnissen in der Kindheit (zum Beispiel Ausgrenzung oder Vernachlässigung) das Risiko für eine Somatoforme Störung erheblich vergrößert: Denn gerät das Kind später als Erwachsener im Beruf in eine ganz ähnliche Situation, können diese psychosozialen und körperlichen Faktoren erneut abgerufen werden und den Weg zu einer Somatoformen Störung freimachen.
Die medizinische Forschung vermutet darin eine Art evolutionäres (inneres) Alarmsystem, das für die Entwicklung des Menschen überlebenswichtig (gewesen) ist. Es warnt jedoch nicht nur bei Gefahr vor dem Verlust der sozialen Kontakte (siehe wieder: Mobbing, Ausgrenzung), sondern auch bei körperlichen Verletzungen.
Auslöser Bekannte und häufige Auslöser für Somatoforme Störungen
Die Entstehung einer Somatoformen Störung wird in den allermeisten Fällen durch ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren begünstigt. Die Krankheitsentwicklung verläuft dabei oft über viele Jahre. Dementsprechend hoch ist in der Regel der Leidensdruck der Patientinnen und Patienten bis eine Somatisierungsstörung als solche erkannt wird.
Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass die genetische Veranlagung und traumatische Erlebnisse in der Kindheit das Risiko für eine Erkrankung erhöhen. Als Hauptrisikofaktoren für die Entstehung einer Somatoformen Störung gelten:
- Belastungen und ungünstige Lebensumstände in der Kindheit und den frühen Lebensphasen
- Frühe (eigene) Erfahrung von schweren Erkrankungen oder Erkrankungen innerhalb der Familie
- Schwere körperliche Erkrankungen (auch chronische)
- Außergewöhnlich belastende Lebensereignisse (Arbeitslosigkeit, Trennung, Unfälle, Verlust einer nahestehenden Person, komplizierte Operationen)
- Soziale Konfliktsituationen wie finanzielle Verluste, Statusverlust oder fehlende soziale Unterstützung
- Komplikationen im Beruf (Mobbing, Konflikte mit Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen), gravierende Veränderungen der Lebensumstände (Eintritt ins Rentenalter, Geburten, Ortswechsel)
- Besonders sorgenvoller Umgang mit körperlichen Beschwerden (auch familiär)
- Neurobiologische und genetische Faktoren
Erkennen und behandeln Mit Psychotherapien gegen den chronischen Schmerz
Patientinnen und Patienten mit Somatisierungsstörungen wissen oft aus eigener, langjähriger Erfahrung: Schmerz- und Beruhigungsmittel bringen keine oder allenfalls eine kurzfristige Linderung. Im Gegenteil: Die Langzeiteinnahme von Schmerzmitteln ist nicht selten – neben zahlreichen anderen Risiken – selbst Ursache für Schmerzen. Dagegen ist es schon seit Längerem wissenschaftlich hinreichend belegt, dass Psychotherapien bei Somatoformen Störungen wirksam sind.
Dabei geht es jedoch weniger um Schmerzbewältigung oder gar “zu lernen“, mit den Schmerzen oder anderen Beschwerden „zu leben”, sondern vor allem um die psychotherapeutisch fundierte Auf- und Verarbeitung der bestehenden Konflikte und der aktuellen Lebenssituationen, die zur Entstehung und Aufrechterhaltung der körperlichen Beschwerden geführt haben.
Die Psychotherapien unterstützen dabei, ein individuelles Erklärungsmodell für die körperlichen Beschwerden zu finden. Auf dieser Grundlage werden alternative Strategien erarbeitet, die Problem- und Konfliktlösungen ohne „Somatisierung“ ermöglichen.
Darüber hinaus wird bei den meist chronifizierten Störungen ermöglicht, mit den körperlichen Beschwerden besser umzugehen und somit auch den Alltag besser bewältigen zu können. Die Patientinnen und Patienten erfahren:
- Wie ihre Somatoforme Störung entstanden ist und wie sie ihre Beschwerden einordnen können
- Wie sie ihre gedanklichen und gefühlsmäßigen Bewertungsschemata neu interpretieren können, um dadurch mit ihren körperlichen Beschwerden zukünftig besser umzugehen
- Wie sie ihren Körper trotz der bestehenden Beschwerden langsam mehr belasten und ihr Leben damit aktiver gestalten können
- Wie sie mit gezielten Strategien zur Stressbewältigung ihre körperlichen Beschwerden minimieren können
Unter bestimmten Voraussetzungen können die Psychotherapien durch Psychopharmaka zeitweise unterstützt werden. Einige dieser Medikamente sind – je nach individueller Absprache und Dosierung – sehr gut geeignet, eine innere Distanz zwischen den belastenden Gedanken und dem körperlichen Beschwerde- und Schmerzempfinden zu schaffen.
Denn die Patientinnen und Patienten sollen zwischen Beschwerden und Schmerz einerseits und Gefühlen andererseits unterscheiden lernen – und den mit Schmerzen verbundenen Gefühlen “Platz einräumen”. Mithilfe der Psychotherapien wird darüber hinaus versucht, andere Ausdrucksformen für diese Gefühle zu finden.
Begleitende Körper-, Musik- oder Kunsttherapie können in diesem Veränderungsprozess ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Angehörige, Partner und Freunde als Unterstützer
Wenn Menschen ihr soziales Umfeld mit ihrer Krankengeschichte konfrontieren und über ihre “unklaren” körperlichen Beschwerden sprechen, kommt ihnen zumeist eine geballte Portion Skepsis entgegen. Sie sehen sich dann oft mit dem typischen Vorwurf konfrontiert, sich ihre Beschwerden nur einzubilden. Dieser Umstand sorgt zusätzlich für Frustration und Unbehagen bei den Betroffenen.
In unseren Fachkliniken, die auf die Behandlung von Somatisierungsstörungen spezialisiert sind, binden wir die Angehörigen daher – wenn vom Patienten auch gewünscht – eng in die therapeutische Behandlung mit ein.
Identifizieren und Vorbeugen Woran Sie eine Somatoforme Störung erkennen können
Körperliche Beschwerden, besonders chronische Schmerzen, sind in der Regel ein “unüberhörbares” Warnsignal, das einen Arztbesuch rechtfertigt – erst recht, wenn diese Beschwerden bereits über einen längeren Zeitraum bestehen. Wenn die Diagnose durch den Hausarzt und gegebenenfalls durch einen Facharzt jedoch keinen körperlichen Befund ergibt, sollten Patientinnen und Patienten zunächst gemeinsam mit ihrem Hausarzt auch seelische Auslöser für die körperlichen Beschwerden ins Kalkül ziehen – am besten so früh wie möglich
Die beiden Fragen, die sich Patientinnen und Patienten in diesem Zusammenhang stellen sollten, lauten:
- Gab es in meinem Leben schon einmal (außergewöhnlich) belastende Ereignisse, die im Zusammenhang mit meinen Beschwerden stehen könnten?
- Gibt es in meinem Leben eine aktuelle (außergewöhnliche) Belastung im Zusammenhang mit meinen körperlichen Beschwerden?
Viele Hausärzte besitzen inzwischen die Zusatzqualifikation „Psychosomatische Grundversorgung“, doch wenn ihre zumeist ambulanten Behandlungsmöglichkeiten nicht ausreichen, sind Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Psychotherapeuten die richtigen Ansprechpartner. Denn “unklare” körperliche Beschwerden können auch als Begleiterscheinung anderer psychischer Erkrankungen wie zum Beispiel einer Depression oder einer Angsterkrankung auftreten.
Psychotherapeutische Ansätze
In der Psychotherapie Somatoformer Störungen geht es zunächst darum, ein gutes Vertrauensverhältnis zum Patienten herzustellen. Dabei werden seine Erklärungen für die Beschwerden akzeptiert und ernst genommen. Wichtige körperliche Untersuchungen werden – nach Indikationsstellung durch den Arzt – durchgeführt oder auch wiederholt. Regelmäßige, aber vernünftige Nachuntersuchungen werden am besten terminiert, um dem oft anhaltenden Bedürfnis der Patientinnen und Patienten nach hochfrequenten und speziellen Untersuchungen zu begegnen.
Gleichzeitig werden Therapeutinnen und Therapeuten aber auch versuchen, die Betroffenen über das Zusammenwirken von körperlichen und seelischen Prozessen zu informieren und ihnen an Beispielen zu verdeutlichen, dass auch psychische Prozesse wie Wahrnehmungen und Gefühle körperliche Vorgänge beeinflussen können (Psychoedukation). Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, dass „psychisch bedingt“ nicht bedeutet, dass der Betroffene „nichts hat“, „verrückt“ oder „psychisch gestört“ ist. Auch beim Besprechen der Lebensgeschichte des Patienten können Zusammenhänge zwischen psychischen Belastungen und einer verstärkten körperlichen Symptomatik herausgearbeitet werden.
Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
In der KVT wird zunächst erfasst, welche Überzeugungen und Vorstellungen der Patient von der Entstehung seiner Beschwerden hat und ob er einen Zusammenhang mit anderen Faktoren sieht – zum Beispiel mit Spannungen in der Familie oder bei der Arbeit (subjektives Krankheitsmodell). Diese Informationen bilden dann eine Grundlage, um mit ihm darüber zu sprechen und seine Vorstellungen allmählich zu verändern. Zudem werden konkrete Therapieziele festgelegt. Diese können sich auf die Symptome selbst beziehen (zum Beispiel die Beschwerden besser selbst beeinflussen zu können, seltener zum Arzt gehen zu müssen), aber auch auf andere Lebensbereiche (zum Beispiel berufliche Belastungen zu verringern, wieder mehr mit der Familie zu unternehmen).
Wichtige Ziele der KVT sind, das Krankheitsmodell des Patienten allmählich zu verändern und zu erweitern, so dass er auch psychische Ursachen für seine Beschwerden akzeptieren kann.
Jetzt mehr über Kognitive Verhaltenstherapie erfahren.
Familientherapie
Bei Kindern und Jugendlichen, die unter Somatisierungsstörungen leiden (zum Beispiel Bauchschmerzen vor belastenden Situationen in der Schule), ist es besonders wichtig, die Familie in die Therapie mit einzubeziehen. Manchmal verstärken die Eltern die Symptome ungewollt, weil sie ihr Kind bei körperlichen Symptomen schonen oder „krankmelden“. Dann ist es wichtig, den Eltern diese Zusammenhänge bewusst zu machen und ihnen zu zeigen, wie sie ihr Kind bei der Bewältigung der körperlichen Symptome unterstützen können.
Psychoanalytische und tiefenpsychologische Therapie
Auch tiefenpsychologische und psychoanalytische Therapieansätze können bei Somatoformen Störungen hilfreich sein. Hier geht es vor allem darum, seelische Konflikte, mögliche Traumatisierungen oder familiäre Belastungen aus der Vergangenheit aufzuarbeiten, die hinter der Störung stecken können. Man geht davon aus, dass solche belastenden Ereignisse bis in die Gegenwart nachwirken und so zur Entstehung und Aufrechterhaltung der körperlichen Beschwerden beitragen können.
Weitere Therapien
Oft werden die Psychotherapie-Ansätze mit weiteren Fachtherapien kombiniert – zum Beispiel mit Bewegungs-, Gestaltungs- oder Musiktherapie sowie mit Sport- oder Gesundheitstraining. Ein positiver Umgang mit dem eigenen Körper und ein besserer Umgang mit der Erkrankung sollen dadurch erreicht werden. Patienten können so lernen, ihren Körper wieder positiver zu erleben und ihn nicht nur mit Krankheitssymptomen in Verbindung zu bringen.
Therapie mit Psychopharmaka und anderen Medikamenten
Psychopharmaka werden bei Somatoformen Störungen meist nur als sinnvoll angesehen, wenn gleichzeitig Symptome einer anderen psychischen Erkrankung auftreten – zum Beispiel einer Depression oder Angststörung. Dabei können sich vor allem Antidepressiva positiv auf die Symptome der Somatoformen Störung auswirken. Psychopharmaka sollten immer nur in Kombination mit einer Psychotherapie verwendet werden.
Bei einer anhaltenden Schmerzstörung ist es in manchen Fällen sinnvoll, neben einer Psychotherapie auch Schmerzmittel einzusetzen. Dabei eignen sich vor allem Schmerz- und Entzündungshemmer (Schmerzmittel der Stufe 1, die weniger Nebenwirkungen haben) – auf Opioide, die deutlich stärker wirken, sollte möglichst verzichtet werden. Die Schmerzmittel sollten zudem nicht nur gelegentlich, sondern nach einem regelmäßigen, mit dem Arzt abgestimmten, Schema eingenommen werden (Quelle).
Hilfe zur Selbsthilfe Besser leben trotz einer Somatisierungsstörung
Wir möchten alle Menschen, bei denen eine Somatoforme Störung diagnostiziert wurde, dazu ermutigen, ihre Beschwerden mithilfe einiger (veränderter) Verhaltensweisen günstig zu beeinflussen.
Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die wir auch unseren Patientinnen und Patienten innerhalb ihrer stationären Psychotherapie in einer unserer Oberberg Fachkliniken Schritt für Schritt nahebringen:
- Versuchen Sie, körperlich wieder aktiver zu werden. Nehmen Sie sich dabei immer nur kleine, realistische Ziele vor
- Achten Sie darauf, sich regelmäßig zu entspannen. Nutzen Sie dafür bewährte Entspannungstechniken, wie zum Beispiel die progressive Muskelentspannung oder Yoga
- Finden Sie heraus, was Ihnen guttut, in welchen speziellen Situationen Sie sich wohl fühlen und mit wem Sie gerne Zeit verbringen – und handeln Sie dann möglichst auch danach
- Entwickeln Sie Ihre persönliche Strategie, um Ihre Beschwerden zu lindern. Das können Gedanken sein, aber auch neue Verhaltensweisen und natürlich eine Kombination aus beidem
- Suchen sie möglichst viel gesellschaftlichen Kontakt und einen regelmäßigen Austausch mit Ihnen nahestehenden Menschen. Gespräche mit anderen Patientinnen und Patienten (zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe) können ebenfalls zu einer nachhaltigen Reduzierung Ihrer körperlichen Beschwerden beitragen
Die Oberberg Fachkliniken für psychische Erkrankungen Somatoforme Störung (inkl. Chronische Schmerzen) erfolgreich therapieren
In den Oberberg Kliniken für Stressmedizin, Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie unterstützen wir Menschen in schweren seelischen Krisensituationen mit effizienten Behandlungskonzepten. Dabei glauben wir fest an das Zusammenwirken von Menschlichkeit, Verbundenheit und Evidenz in einer erstklassigen Umgebung, die von einer herzlichen Atmosphäre aus Achtsamkeit, Zugewandtheit, Respekt und gegenseitigem Vertrauen geprägt ist.
Ansprechpartner Was können wir jetzt für Sie tun?
Sie möchten mehr Informationen zu unserem Behandlungsangebot, zur Ausstattung in den Kliniken oder zum Tagesablauf in einer unserer Kliniken? Dann würden wir uns freuen, wenn Sie mit uns persönlichen Kontakt unter der Telefonnummer 030 - 26478919 aufnehmen. Wenn Sie einen Rückruf für ein persönliches Gespräch vereinbaren möchten, füllen Sie bitte das Kontaktformular aus. Wir werden uns dann schnellstmöglich bei Ihnen melden.