Sinn suchen, entdecken, verwirklichen - Logotherapie und Akzeptanz und Commitment Therapie
In der Psychotherapie geht es primär um die Behandlung von psychischen Störungen. Depressionen sollen behandelt, Ängste überwunden, Zwänge beseitigt werden. Dabei steht oftmals die Reduktion von Symptomen und das Wiedererlangen der Funktionsfähigkeit im Vordergrund. Nach Prof. Wolfram Kurz, Leiter des Instituts für Logotherapie und Existenzanalyse, Tübingen/Wien und Buchautor („Sinn suchen, entdecken, verwirklichen, Verlag Lebenskunst 2020“) greift dieser Ansatz zu kurz. Therapeut*innen gingen in die Falle, in dem sie sich auf das nachrangige Interesse ihrer Patient*innen konzentrierten (die Störung loszuwerden) und das vorrangige Interesse ignorierten (ein sinnvolles Leben führen zu wollen). Gerade die Psychotherapie als Instrument zur Begleitung von Menschen in Veränderungsprozessen weist immer wieder auf Themen und Ziele jenseits der reinen Symptomreduktion hin.
Logotherapie sinnzentrierte Psychotherapie
Die Sinnfrage als existentiell zentrale Frage erkannt und für die Psychotherapie fruchtbar gemacht zu haben, ist das Verdienst Viktor Frankls. Er ist der Begründer der „Dritten Wiener Schule“ der Psychotherapie nach Siegmund Freud und Alfred Adler. Frankl zu Folge ist weder die Lustorientierung, die für Freud ausschlaggebend war, noch die Machtorientierung wesentlich, die Adler ins Zentrum seines Interesses rückte, vielmehr die Sinnorientierung. Der Wille zur Lust, der Wille zur Macht sind Frankl zufolge unbestreitbare Phänomene, allerdings seien sie dem Willen zum Sinn untergeordnet. Aus diesem Grund hat er in die Mitte seiner psychotherapeutischen Konzeption die Sinnthematik gestellt. Er nennt sie „Logotherapie, sinnzentrierte Psychotherapie“.
Fallvignette
Der 68-jährige Patient Dr. K. kam mit einer schweren depressiven Episode und Somatisierungsstörung in unsere Klinik. Es bestanden zudem ausgeprägte Ängste, an einer schweren körperlichen Erkrankung zu leiden. Bereits zu Beginn des stationären Aufenthaltes äußerte er den Wunsch, in den therapeutischen Gesprächen auch Elemente der Logotherapie nach Viktor Frankl einbringen zu dürfen, mit der er sich in den letzten Monaten intensiv beschäftigt habe. So ging es im therapeutischen Verlauf neben der Einleitung einer medikamentösen angstlösenden und antidepressiven Therapie auch immer um Fragen der Sinngebung auch in schwierigen Lebensphasen. Die Haltung von Viktor Frankl, auch in schwierigsten Lebenssituationen „… trotzdem Ja zum Leben (zu) sagen…“ wurde dem Patienten eine Art Leitspruch, der es ihm ermöglichte, seinen körperlichen Beschwerden mit größerer Gelassenheit zu begegnen und in Überforderungssituationen und gegenüber Ängsten adäquater zu reagieren.
Nach Prof. Wolfram Kurz ist Logotherapie eine „appellative Therapie“. Sie appelliere an Patient*innen, ihren Willen zum Sinn wieder wahrzunehmen. Aufgabe der Therapeut*innen sei es, so mit Patient*innen zu kommunizieren, dass ihr Potential freigesetzt werde, diejenigen Sinnmöglichkeiten zu entdecken, die ihnen im Blick auf eine einmalige Lebenssituation abverlangt seien.
„Logotherapie macht dem Patienten nur sein Verantwortlichsein bewusst, um ihn dann selbst entscheiden zu lassen, wofür: Für die Erfüllung welchen konkreten Sinnes und für die Verwirklichung welcher persönlicher Werte“, schreibt Viktor Frankl.
Wie können wir nun diesen Sinn- und Entdeckungsprozess therapeutisch unterstützen? Frankl zufolge dadurch, dass wir „das Wertegesichtsfeld des Patienten erweitern, sodass er des vollen Spektrums personaler und konkreter Sinn- und Wertmöglichkeiten gewahr wird.“ Damit eröffnet die Logotherapie therapeutische Räume, die auch von modernen Psychotherapieverfahren, insbesondere der Akzeptanz und Commitment Therapie (ACT), als therapeutisch wesentlich benannt werden. So schreibt der ACT-Therapeut Prof. Georg Eifert:
„Werte helfen uns zu erkennen, was für uns wirklich wichtig ist. Wenn sich Menschen fest im Griff ihrer intensiven Gefühle und bedrohlichen Gedanken befinden, kann es ihnen helfen, zu entscheiden, was sie tun bzw. lassen sollen, indem sie sich eine wichtige Frage stellen und beantworten: Wenn ich jetzt auf meine Gedanken und Gefühle höre und das tue, was sie mir zu sagen scheinen, wird mich dieses Verhalten näher an meine Werte heranbringen oder mich weiter von ihnen entfernen?“
Die Klärung von Werten ist deshalb wichtig, weil die Fokussierung auf Werte die Alternative zu einem Leben darstellt, das sich auf die Beseitigung und Kontrolle von seelischem Leid konzentriert. Diese Umorientierung weg vom Negativen und „Kranken“ hin zum Positiven und „Gesunden“ kann in der ACT-Matrix veranschaulicht werden:
Wie kann es dabei gelingen, den „Teufelskreis zu durchbrechen“ und „eine andere Richtung einzuschlagen“? ACT- Therapeut*innen schlagen dafür einige Schritte vor, die mit den Sprossen einer Leiter verglichen werden können, um in der Matrix von links unten (ungewollte Gedanken und Gefühle) nach rechts oben zum engagierten Handeln zu kommen:
- Im Hier und Jetzt bleiben
- Mit dem Verstand flexibler umgehen
- Schwierigkeiten „in Kauf nehmen“
- Klarheit darüber gewinnen, was mir wirklich wichtig ist
- in die Handlung kommen
In der Akzeptanz und Commitment Therapie (ACT) werden Werte oft mit einem Kompass oder einem Leuchtturm verglichen. Werte geben Orientierung, sie können die Richtung aufzeigen, in die wir in unserem Leben gehen wollen. Dabei stellt sowohl die Logotherapie wie auch die Akzeptanz und Commitment Therapie ihren Patient*innen einige einfache, doch zentrale Fragen:
- Wofür soll Ihr Leben stehen?
- Worum soll es in Ihrem Leben gehen?
- Was liegt Ihnen wirklich am Herzen?
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