Für die meisten Menschen ist die Weihnachtszeit – darf man den wenigen wissenschaftlichen Studien zum Thema vertrauen – kein Quell der Freude mehr. Vielmehr eine Zeit, in der es gilt Stress zu meistern. So quellen inzwischen auch die Zeitschriften von Ratschlägen über, wie man das „Fest der Liebe“ richtig feiern könne. Dabei steht meistens im Zentrum, wie man Streit vermeiden könne, richtig schenken und insgesamt Stress zu den Weihnachtstagen reduzieren könne.
Stresslevel ist in der Weihnachstzeit am höchsten
„Tatsächlich ist die Weihnachtszeit, die Zeit in der die Menschen den höchsten Stresslevel wahrnehmen“, so Prof. Dr. Michael Berner, der Ärztliche Direktor der Rhein-Jura Klinik. So bringen sich zum Fest der Liebe gerade Menschen, denen es nicht so gut gehe, durch Konsumdruck und Harmoniezwang stark unter Druck. Zustände von Depressionen und Einsamkeit verschlechtern sich unter dem Diktat der „Frohen“ Weihnachtszeit oft stark – weil man gerade das Gefühl oder die Energie verloren hat, sich über etwas zu freuen. In den Familien brechen alte Konfliktlinien auf und statt Glückseligkeit nehmen im Gegenteil Stress, Unglück und Streit zu. „Viele unserer Patienten – und nicht nur die – setzen an Weihnachten genau den Leistungsdruck fort, der dazu geführt hat, dass sie ein Zustand des Burnout oder eine Depression erreicht haben – und das ist fatal“, so der Psychiater. Deshalb wäre es ein wichtiges Ziel, Patienten anzuleiten, wie sie Weihnachten gut verbringen können.
Erfolgreiche Bewältigungsstrategien beruhen auf Wertekonzept und Spiritualität
Nach Berners Einschätzung greifen jedoch alle Anleitungen zur „Bewältigung“ des konsumgeprägten Weihnachtens zu kurz. Die wenige wissenschaftliche Literatur zum richtigen Feiern des Weihnachtsfestes erlaube verblüffend eindeutige Schlussfolgerungen. Für den Psychiater ergibt sich ein inhaltlicher Schluss von Spiritualitätssehnsucht zu modernen Psychotherapieverfahren und Neurowissenschaft: Die meisten Menschen haben im Zusammenhang mit Weihnachten Erinnerungen und Träume und spüren ein Sehnen nach Geborgenheit, Zugehörigkeit und Liebe. Häufig bemühen sie sich dann in dem verzweifelten Versuch diese Bedürfnisse zu erfüllen, es „allen recht zu machen und alles richtig zu tun“: Für jeden das passende Geschenk kaufen, das Beste und Aufwendigste gerade gut genug sein zu lassen, perfekte Eltern, Partner oder Kinder sein. Oft ist es jedoch so, dass, je mehr wir uns bemühen, uns immer mehr von diesen Werten entfernen, wonach wir uns so sehnen. Es folgt erschöpfte Leere und verbitterte Enttäuschung. So werden Depression und Burnout gefördert statt vermieden.
Was der Achtsamkeitsexperte empfiehlt
In der Rhein-Jura Klinik versuche man dagegen Weihnachten als Zeit für die Besinnung auf Werte, zur Neuorientierung an Werten und Raum für Spiritualität zu begreifen. Diese Vorgehensweise würde von aktuellen Studien der Fachliteratur gedeckt, in denen gezeigt wurde, dass Menschen, denen die Rückbesinnung auf traditionelle familiäre oder andere Werte und Spiritualität oder Religiosität gelingt, an Weihnachten deutlich glücklicher und zufriedener als andere sind. Günther Mild, Arzt und Achtsamkeitstherapeut an der Rhein-Jura Klinik führt aus: „Die Weihnachtszeit kann eine Zeit sein, in der ich mich in aller Stille auf das besinne, was für mich wirklich im Leben zählt oder wie ich es schaffen kann, wieder Kontakt zu dem bekommen, was einmal für mich gezählt hat. Und das ist unabhängig davon, ob diese Besinnung auf Werte mit einem christlichen Hintergrund geschieht oder von anderen spirituellen Kraftquellen getragen wird.“ Als radikale Leitfragen schlägt Mild vor: „WAS ist es, das für mich im Leben zählt?“, „WER ist es, der für mich im Leben zählt?“ und „Wie kann ich sicherstellen, dass das, was ich in der Weihnachtszeit unternehme, mir und denen, die mir nahe stehen, bewusst macht, was für mich im Leben zählt und ihnen zeigt wie wichtig sie mir sind?“ Daran solle sich jede Planung der Weihnachtstage ausrichten. Statt konsumorientierter Quantität ist es also wertbezogene und spirituelle Qualität, die die Weihnachtzeit wirklich zu einer „frohen“ Weihnachtszeit werden lässt. Dieses helle Licht der Werte und Spiritualität ist also das beste Mittel gegen Burnout und Ausbrennen zur Weihnachtszeit.