Alkoholsucht im Profisport
Noch ist viel zu wenig bekannt, dass Alkoholsucht im Profisport ein bedrückend präsentes Thema ist. Doch wie vor einigen Jahren das Thema Depression, dringt auch die Alkoholsucht im Profisport inzwischen in die Öffentlichkeit - gerade auch durch einen Profisportler, der in einer der Oberberg Fachkliniken von seiner Alkoholsucht geheilt wurde.
Wie kann es zu Alkoholsucht im Profisport kommen?
Wie bei jedem Mensch der die mit dem Genuss von Alkohol verbundenen Gefahren in einer Alkohol-affinen Umgebung auch vor sich selbst "unter den Teppich kehrt". Das Bier mit dem Team und das Anstoßen nach besonderen Erfolgen, das Gläschen Wein zur Gourmet-Mahlzeit im schicken Restaurant und ein Glas Sekt oder Champagner gehören in einem solchen Lebensumfeld einfach dazu.
Wenn dieser Mensch unter Stress und Druck steht, wird er schnell entdecken, dass der Alkohol eine wunderbar entspannende Wirkung hat. Der Druck fällt ab, der Kopf wird frei und man kann die Alltagssorgen auf morgen verschieben; zu Beginn der Suchtkarriere und mit wenig Alkohol kann die Entlastung sogar manchmal zur Leistungssteigerung führen. Auf Dauer führt ein derartiger Alkoholkonsum jedoch zwangsläufig in eine gefährliche Abwärtsspirale - Alkoholsucht im Profisport entsteht, wenn der Alkohol außerhalb von Genusszwecken zum Druckabbau missbraucht wird.
Welchen Einfluss hat Druck und Stress auf die Entwicklung einer Alkoholsucht im Profisport?
Die entspannende Wirkung des Alkohols ist in gesteigertem Maße gefährlich für einen Menschen, der täglich einem hohen Maß an Druck standhalten muss. Meist ist er dem eigentlich nicht gewachsen (kann dem unmöglich gewachsen sein), und dem er eigentlich auch überhaupt nicht standhalten möchte, weil er die unangenehmen Züge des ihn (be-) drückenden Systems in Wirklichkeit sehr genau erkennt. In einer solchen Umgebung setzt sich der Druck dann häufig auch noch bis in die Freizeit- und Entspannungsebene fort: Zum Leistungsdruck kommt der Druck, mehr Alkohol zu konsumieren, als der Stoffwechsel problemlos verarbeiten kann.
Wenn dieser Mensch ein hoch trainierter Leistungssportler ist, wird die gesteigerte körperliche Leistungsfähigkeit vollkommen unkritisch (und unzutreffend) auf die Fähigkeiten des Körpers zur Verarbeitung von Alkohol ausgedehnt. Der Druck, der sich anfangs sehr gut auch mit kleineren Mengen Alkohol abfangen lässt, lässt sich auf Dauer ohne Änderung der Lebenssituation mit keiner externen Einwirkung der Welt lindern - schon gar nicht mit Alkohol, der den Druck mit zunehmender Gewöhnung immer weniger gut lindern kann. Während nun immer mehr Alkohol gebraucht wird, um den Druck abzubauen, setzt diese Gewöhnung den körperlichen Abbausystemen zunehmend negativ zu.
Schon wenn die tägliche Alkoholmenge nun langsam gesteigert wird, beginnt die körperliche Schädigung lange bevor sich die Alkoholsucht zu einem offensichtlichen Problem für den Profisportler oder die Profisportlerin entwickelt hat. Da bei Team-Treffen und festlichen Zusammenkünften übermäßiger Alkoholgenuss von Anfang an der Tagesordnung ist, dreht sich diese Spirale noch sehr viel schneller in Richtung "abwärts". Wenn ein Mensch, der unter einem solchen Druck gerade in die Alkoholsucht abgleitet, nicht im nahen Umfeld von einem gut informierten, medizinisch gebildeten Menschen energisch zum Entzug gedrängt wird, ist eine langjährige Phase der verdrängten Alkoholsucht im Profisport vorprogrammiert.
Alkoholsucht im Profisport: Wer ist betroffen?
Nach diesem Blick auf die kaum bekannten bzw. bewussten Rollen, die übermäßiger Druck und trügerische Gewöhnung bei der Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit spielen, wird es niemanden mehr wundern, dass Alkoholsucht im Profisport zu den alten Bekannten zählt: Boxer-Legende Bubi Scholz, Fußballer "Uli" Borowka, Wolfram "Wutti" Wuttke und Timm Klose sowie Radrenn-Legende Jan Ullrich sind nur einige der prominenten Sport-Profis, deren Alkoholsucht ausführlich in den Medien behandelt wurde.
Der Druck im Profisport hat seitdem ganz sicher nicht nachgelassen. Das beste Beispiel ist der liebste Profisport der Deutschen, der Fußball: Fachkundige Beobachter und Beobachterinnen gehen schon lange von einer Zunahme des Drucks in einem immer mehr "entmenschlichten" System aus - auf allen Ebenen, beginnend bei der Auswahl der Nachwuchstalente. Die ersten kritischen Diplomarbeiten zum Thema "Talentförderungssystem im Profifußball" erschienen bereits vor über einem Jahrzehnt: www.grin.com/document/162919. Dazu gibt es auch schon seit Jahren viel öffentliche Kritik, die auch über interne Kritiker wie Felix Magath und Ewald Lienen in Talkshows verbreitet wird und sich in Presseberichten wie diesen niederschlug: www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-vom-25-11-2021/fussball-wie-kinder-zu-profis-gemacht-werden-und-was-dabei-schieflaufen-kann.html; causa.tagesspiegel.de/kultur/wie-viel-kommerz-vertraegt-der-fussball/der-profifussball-grenzt-an-modernen-sklavenhandelnbsp.html.
Deshalb kommen in den letzten Jahren auch immer mehr Depressionen im Profisport an die Öffentlichkeit, die ein häufiger Grund für die Entwicklung einer Alkoholsucht sind: National-Torwart Robert Enke, Fußballprofi Andreas Biermann und Profi-Trainer Sascha Lewandowski verloren ihr Leben an die Depression; der hochbegabte Spieler Sebastian Deisler und der arrivierte Trainer Ralf Rangnick beendeten oder pausierten wegen Burn out/Erschöpfungssyndrom ihre Profi-Karrieren. Mit den zunehmenden Berichten über psychische Probleme bei Profisportlern hat sich in der öffentlichen Berichterstattung eine Trendwende vollzogen: Die Medien gingen vom Bedauern "tragischer Einzelfälle" zu einer Berichterstattung der öffentlichen Anteilnahme über, in der Betroffene ermutigt werden, ihre Probleme offen anzusprechen, um die dahinter stehenden, krankmachenden Strukturen offen zu legen. Sicher hat es viel mit dieser Presse zu tun, dass Anfang letzten Jahres auch die Verantwortlichen der von Oliver Bierhoff geleiteten DFB-Direktion "Nationalmannschaften und Akademie" dringend grundlegende Änderungen in Trainerausbildung und Talentförderung anmahnten: www.nd-aktuell.de/artikel/1133227.talentfoerderung-im-fussball-zu-wenige-dummheiten.html.
Das Thema Alkoholsucht im Profisport ist von mindestens ähnlicher Relevanz, hat aber noch nicht in vergleichbarem Maß seinen Weg in die öffentliche Diskussion gefunden. Doch auch hier "rührt sich etwas", wobei der Anstoß zur öffentlichen Diskussion der Alkoholsucht im Profisport von einem Profisportler ausging, der sich in einer der Oberberg Kliniken von seiner Alkoholsucht heilen ließ: Eishockey-Profi Constantin Braun, der mit den Berliner Eisbären sechs Mal Deutscher Meister wurde und den Deutschen Eishockey- Bund in 98 Länderspielen als Verteidiger vertrat. Braun hat aber auch bereits als Jungprofi in Berlin mit 17 Jahren mit dem Trinken begonnen und seitdem "nebenbei" eine veritable Alkoholiker-Karriere von gut zwei Jahrzehnten hingelegt - starke Depressionen und Suizidgedanken inklusive. Nun hat er sich sehr bewusst dafür entschieden, mit der Geschichte seiner Alkoholsucht und ihrer Heilung in einer der Oberberg Kliniken an die Öffentlichkeit zu gehen. Die komplette Geschichte können Sie z. B. in diesem Artikel des Südwestrundfunks SWR nachlesen: https://www.swr.de/sport/mehr-sport/eishockey/bietigheim-steelers-braun-alkoholsucht-100.html.
Hinter diesen prominenten Beispielen stehen große Zahlen von Sportprofis aus den verschiedensten Sportarten, die nicht ganz so im Rampenlicht stehen, aber mit einem ähnlichen Drucksystem und ähnlichen Ritualen "funktionieren". Nicht selten haben diese Profis immer noch Schwierigkeiten, eine bereits gut manifestierte Alkoholsucht zu erkennen und sich selbst die Krankheit einzugestehen. Diese Tatsache hat viel damit zu tun, dass Alkohol bei vielen dieser Rituale einfach dazugehört.
Alkoholsucht im Profisport: Warum ist Alkohol oft legitimiert?
Alkohol wird in der Ernährungswissenschaft zu den Makro-Nährstoffen gezählt, der unserem Körper mit 7 Kalorien pro Gramm mehr Energie zuführt als Eiweiß und Kohlenhydrate und nur wenig hinter dem besten Energieträger Fett mit 9 kcal/g zurücksteht. Davon haben unsere Vorfahren sehr profitiert, als sie durch eine Mutation vor ca. 10 Millionen Jahren zur Verstoffwechslung von Alkohol befähigt wurden. Die frühen Menschen waren damals nämlich gerade dabei, sich von einem Leben in den Baumkronen auf ein Leben am Boden umzustellen - und hatten nun auf einmal mit vergorenem Fallobst jede Menge Nahrung exklusiv für sich zur Verfügung.
Anthropologen messen dieser Mutation erhebliche Bedeutung für die Entwicklung und das Gedeihen der frühen Homo-Arten bei; der Mensch entdeckte mit verschiedenen Methoden der Alkohol-Konzentration dann auch bald Langzeit-Konservierungsmethoden, die in Notzeiten das Überleben sichern konnten. Es ist gut verständlich, dass diese damals sehr mühevoll hergestellte Notfall-Reserve vor allem als edler Tropfen bei wichtigen Feiern und Gemeinschaftsritualen genossen wurde, was sich bis in unsere Zeit gehalten hat. Da wir jedoch heute in einem Überfluss an Nahrung und Genussmitteln leben und auch sehr viel mehr Zeit zum Feiern haben als unsere Vorfahren, essen viele Menschen zu viel und trinken auch viele Menschen viel zu oft und zu viel Alkohol.
Auch Sportler oder Sportlerinnen: Eine Studie britischer Wissenschaftler fand im Sommer 2020 recht überraschend heraus, dass die vermeintlich so gesund lebenden sportlichen Studenten und Studentinnen mehr Alkohol tranken als ihre weniger aktiven Kommilitonen (www.mdpi.com/1660-4601/17/17/6282/htm). In dieser Studie (und vielen weiteren) tranken die Männer sowieso etwa doppelt so viel wie Frauen; und beim Profisport kommen noch die vielen öffentlichen Auftritte hinzu, bei denen die "stahlharten Jungs" nicht selten mit Alkohol überschüttet werden ...
Constantin Braun hat seine Alkoholsucht überwunden und ist inzwischen Kapitän und prominente Leitfigur der Eishockeyprofimannschaft "Bietigheim Steelers", mit der er gerade zur Saison 2021/22 in die Deutschen Eishockey Liga aufsteigen konnte. Er ist mit der Geschichte seiner Alkoholsucht nach etwa drei Jahren an die Öffentlichkeit gegangen, weil die Zeit inzwischen reif ist für nachhaltige Veränderungen und sich bereits viele Menschen für einen vernünftigeren Umgang mit Alkohol und Alkoholsucht im Profisport engagieren.
Constantin Braun möchte aber auch jeden Profisportler und jede Profisportlerin anregen, seinen bzw. ihren Umgang mit Alkohol immer wieder zu überdenken und sich vor allem schnell Hilfe zu holen. Diese Hilfe und Beratung zu Alkoholsucht im Profisport finden Profisportler und -sportlerinnen in jeder Klinik der Oberberg Gruppe, die als größter Qualitätsverbund psychiatrischer, psychosomatischer und psychotherapeutischer Tages- und Fachkliniken in Deutschland inzwischen in jeder deutschen Region Therapieangebote zur Verfügung stellen kann.