Der Mental Health Day: Eine Antwort auf die Zeichen unserer Zeit
Was ist der Mental Health Day und wer organisiert ihn?
Der Mental Health Day (MHD) ist der Welttag der gesunden Psyche, der jedes Jahr am 10. Oktober begangen wird und dieses Jahr dem Erhalt der "Mental Health in einer ungleichen Welt" gewidmet ist. Er geht ursprünglich auf eine Initiative des Weltverbandes für Psychische Gesundheit zurück, wird vom WFMH aber von Anfang in enger Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation WHO organisiert.
Die World Federation for Mental Health ist (nach wie vor) die einzige internationale Basisorganisation im Bereich "mentale Gesundheit": Sie arbeitet weltweit als Interessenvertretung der Betroffenen/Beteiligten, berät zur Gesundung der Psyche von Gruppen und Nationen, betreibt in medizinischer Fachwelt und Öffentlichkeit wichtige Aufklärung zu allen Belangen der Mental Health und der Förderung des konfliktfreien Miteinanders.
Seit ihrer Gründung 1948 hat die WFMH an der Linderung unzähliger mentaler Problemlagen mitgearbeitet, die durch Verletzung sozialer Mindeststandards, kriegerische Auseinandersetzungen, sonstige Missachtung von Menschenrechten verursacht wurden. In dieser Zeit hat sie sich zu einem bedeutenden Kompetenz-Cluster in allen Fragen der psychischen Wohlergehens entwickelt: Seit Ende der 1990er Jahre arbeitet die WFMH als globale Dachorganisation der nationalen NGOs, Verbände, Institutionen zur Mental Health mit der WHO zusammen (auch in der MHD-Organisation). Unterstützt werden beide Organisationen durch Mitglieder und Mitgliedsorganisationen, die in ihrem Heimatnationen Aktionen am und rund um den MHD organisieren.
Der MHD wurde ins Leben gerufen, um Entwicklungen anzuregen, die zeitgemäße Antworten auf die weltweite Bedrohung der gesunden, starken Psyche zu liefern; er dient dieser Mission an diesem 10. Oktober bereits fast 20 Jahre.
Mehr Aufmerksamkeit für die Seele: Eine Mahnung an Mensch und Gesellschaft
Der MHD ist ein Aktionstag, der wie jeder Aktionstag entstanden ist, um auf ein bisher vernachlässigtes Problem hinzuweisen. Wenn es sich wie hier um einen weltweiten Aktionstag handelt, will er offensichtlich mehr Aufmerksamkeit für ein Problem erregen, das die ganze Welt beschäftigt.
Beim MHD ist das ganz sicher so: Die jungen Erwachsenen von heute können sich kaum mehr vorstellen, mit wie viel Angst, Scham und Ausgrenzung das Thema "Störungen der gesunden Psyche" bis weit in die zweite Hälfte des letzten Jahrhundert besetzt war. Der Mental Health Day gehört zu den Initiativen, die viel dazu beigetragen haben, mentale Störungen als internationale gesellschaftliche Realität im öffentlichen Bewusstsein zu verankern, die Gesellschaft auf Akzeptanz dieser Realität und ein ausgrenzungsfreies Leben mit den Betroffenen vorzubereiten:
Der erste MHD 1992 war auch der erste Aktionstag, der ganz breit in der Öffentlichkeit auf psychische Krankheiten hinwies: Sein Mittelpunkt war eine Fernsehsendung aus Studios in Florida, in der Betroffene und Experten frei und ausführlich über psychische Krankheiten sprachen und die über Satellit in der ganze Welt ausgestrahlt wurde.
Diese authentische, persönliche Informationssendung blieb auch am 10. Oktober 1993 und 1994 ein zentraler Programmpunkt, um dem ersten, wichtigen Zweck eines Aktionstages zu dienen: Für das große Ausmaß eines Problems zu sensibilisieren - auf allen Ebenen der Gesellschaft; was beim MHD dadurch erleichtert wird, dass auch alle Ebenen der Gesellschaft von Störungen der gesunden Psyche betroffen sind.
Welchen Zielen widmet sich der MHD?
Hinter dem Aufruf zu mehr Problembewusstsein steht ein höheres Ziel: Durch mehr Aufmerksamkeit auf allen Ebenen soll auch auf allen Ebenen mehr Forschung, Entwicklung, gedankliche Auseinandersetzung angeregt werden. Die dringend gebraucht werden, weil die angemessene Pflege der Mental Health ein uraltes Problem ist, dem sich die Menschheit aktuell dringender denn je stellen muss.
Deshalb werden die Welttage der Psyche auch schon seit 1994 jeweils unter ein besonderes Motto gestellt - was zugleich auf die Themenvielfalt hinweist, die in diesem Bereich zur Bearbeitung (Erforschung, Verbesserung) ansteht. Als erstes Thema wurde 1994 die Verbesserung der Qualität der Psychosozial-Dienste zum Schwerpunkt gemacht - weil die Qualität dieser psychosozialen Dienste in der ganzen Welt zu wünschen übrig ließ, falls sie denn überhaupt schon vorhanden waren. Nach diesem MHD gingen Rückmeldungen aus fast 30 Ländern ein, mit bemerkenswerten Berichten über nationale Initiativen..
Es folgten viele weitere Themenschwerpunkte. Für Fachleute bietet diese Liste, die jedes Jahr die jeweils brennendsten Themen in der Vordergrund stellte, einen komprimierten Abriss der neuzeitlichen Entwicklung im gesamten Bereich "Gesunderhaltung der Psyche und Behandlung von Störungen".
Die Themenschwerpunkte werden in Deutschland seit 2010 vom Aktionsbündnis Seelische Gesundheit in eine "Woche der Gesunden Seele" umgesetzt, die das diesjährige "Corona-Motto" durch den Leitsatz "Gemeinsam über den Berg - Seelische Gesundheit in der Familie" präzisiert.
Auf den Veranstaltungen geht es um Öffentlichkeits-Information und den gegenwärtigen Stand der Forschung, um alte und neue Kontroversen und neue Ansätze zur Förderung der mentalen Integrität, des psychischen Wohlbefindens, der Therapie psychischer Störungen. Dabei werden positive Erfahrungen mit höchst wirksamen multimodalen Behandlungen vorgestellt (wie sie in den Oberberg Kliniken durchgeführt werden), und natürlich alle neuen, noch nicht so bekannten Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige.
Doch der MHD ist nicht nur ein Tag im Oktober, sondern steht unter dem Leitmotiven des WFMH-Gründungsdokuments: Die Vision einer menschlichen Gemeinschaft der Weltbürger, in der kulturelle und individuelle Unterschiede respektiert werden und die große Mehrzahl weiß, das gegenseitige Hilfe im schwierigen Miteinander der beste Weg zu psychisch gesunden Bürgern und Völkern ist.
Deshalb soll der MHD auch weit über den 10.10. und über den jeweiligen Themenschwerpunkt hinaus wirken. Er ruft jeden Menschen dazu auf, das eigene mentale Wohlbefinden und (je nach Alter) auch das der Kinder oder der Eltern immer gut im Auge zu behalten. Er rät dazu, immer dann einen Mental Health Day einzulegen, wenn sich die eigene Psyche der Grenze der Überforderung nähert:
Mit dem persönlichen Mental Health Day zu mehr mentaler Stärke
Eine der Ideen, die sich aus dem Mental Health Day seit 1992 ergeben haben, ist der persönliche Mental Health Day für Menschen, die unter hoher Stress-Belastung leben und arbeiten.
Persönlicher MHD bedeutet: Eine mindestens 24 Stunden währende Pause vom Dauerstress - die nach neuesten Untersuchungen ganz entscheidend dazu beitragen kann, den negativen Folgen einer dauerhaften Stress-Belastung vorzubeugen:
Der persönliche Mental Health Day: Warum Unterbrechung von Dauerstress nachhaltig vorbeugend wirkt
Im letzten Jahrzehnt wurde durch etliche Studien nachgewiesen, wie viele Arbeitnehmer in unserer Leistungsgesellschaft unter Stress am Arbeitsplatz leiden. Diese Studien gingen durch die Medien und haben viel Aufmerksamkeit erregt.
Dadurch hat die Stress-Belastung der Arbeitnehmer bloß leider nicht abgenommen, sondern in der Zeit der Corona-Pandemie (natürlich) noch einmal kräftig zugelegt: Während Studien von 2015 bis 2017 bei etwa der Hälfte der Arbeitnehmer eine ungesunde Belastung durch Stress am Arbeitsplatz feststellten, zeigen neue Studien aus der Pandemie-Zeit eine vielfach erhöhte Belastung: Vier von fünf Arbeitnehmern empfinden ihre Arbeit zur Zeit als zu stressig, leiden unter den Folgen der erhöhten Stress-Belastung, führen ihr vermindertes mentales Wohlbefinden direkt auf die zu hohe Belastung zurück
Diese zu hohe Stress-Belastung trifft aktuell vor allem die Mitarbeiter der Gesundheits- und Pflegeberufe, sie lässt sich im beruflichen Umfeld auch gut in Studien ermitteln und darstellen. Doch Präventions-Mediziner gehen selbstverständlich davon aus, dass noch viel mehr Menschen in Pandemie-Zeiten einer erhöhten Stress-Belastung ausgesetzt sind, auch wenn diese durch Studien nur schwer zu erfassen ist: Erwachsene Kinder, die lange Zeit keinen Kontakt mit ihren in Alters- oder Pflegeheimen lebenden Eltern hatten; Leiharbeiter und Mini-Jobber, deren Arbeitsplätze in der Pandemie abgebaut wurden; Kinder/Jugendliche, die auf den gewohnten Kontakt mit Mitschülern und Freunden verzichten mussten und in ihrem eintönigen Alltag sich und ihre Eltern stressen ...
In der Corona-Zeit wurden aber auch die Ergebnisse einer aufsehenerregenden neurologischen Studie veröffentlicht, die die Wirksamkeit eines regelmäßigen, persönlichen Mental Health Day belegen: Zwei Forscher von der University of Illinois, Chicago, USA, untersuchten auf genetischer/epigenetischer Ebene, ob und wie Stress die Persönlichkeit verändert. Sie fanden heraus, dass Stress das Persönlichkeitsmerkmal der emotionalen Labilität (in der Fachwelt: "Neurotizismus", auch verbunden mit mehr Ängstlichkeit und Traurigkeit) nachhaltig negativ verändern kann.
Dieser Neurotizismus gehört neben und mit Extraversion (Optimismus, Geselligkeit), Gewissenhaftigkeit (Leistungsbereitschaft, Disziplin, Zuverlässigkeit), Verträglichkeit (Altruismus, Kooperation, Nachgiebigkeit) und der Offenheit für neue Erfahrungen zu den grundlegenden Wesensmerkmalen, aus denen sich unsere Persönlichkeit zusammensetzt.
Auch wenn jeder dieser fünf immer vorhandenen Wesenszüge individuell unterschiedlich stark ausgeprägt ist, verstärkt Stress (am Arbeitsplatz) immer den Neurotizismus; was wiederum die Anfälligkeit für Stress erhöht. Wenn das Gehirn dem Stress dauerhaft ausgesetzt ist, kann das deshalb auch immer eine neurologische Abwärtsspirale einleiten, an deren Ende Burnout oder Depressionen stehen.
Diese Forschungsergebnisse liefern erstmals einen "handfesten" Grund dafür, warum ein regelmäßiger persönlicher Mental Health Day entscheidend dabei helfen kann, die Psyche gesund und stark zu erhalten und stressbedingten Depressionen vorzubeugen.
Wie sollte ein Mental Health Day gestaltet werden?
Alle Befürworter des persönlichen Mental Health Day betonen, dass bei Dauerstress regelmäßige Entspannung notwendig ist. Mit den gerade vorgestellten Ergebnisse der neurologischen Studie lässt sich das gut nachvollziehen: Natürlich ist es optimal, wenn die mentale Pause in regelmäßigen Abständen fest eingeplant wird, wenn Dauerstress unmerklich den Gehirn-Stoffwechsel verändert und dabei auch noch die Stress-Anfälligkeit erhöht.
Sie sollten deshalb möglichst regelmäßig eine mindestens 24 Stunden dauernde Pause einlegen, um die Stress-Belastung möglichst auf Null herunterzufahren. Wenn Sie erst überlegen müssen, in welchen Abständen Sie diese regelmäßige Pause brauchen, deutet das darauf hin, dass Sie schon "tief im Stress verstrickt sind". Dann sollten Sie es einfach ausprobieren: Legen Sie am nächsten freien Tag einen Mental Health Day ein, an dem Sie sich nur Aktivitäten (oder "Passivitäten") widmen, die tief entspannend auf Körper und Seele wirken.
Wenn Sie bereits vergessen haben, was Sie so richtet entspannt, ist es dringend Zeit, das zu erkunden - hier ein paar Vorschläge:
- Einfach im Bett bleiben, dehnen und strecken und ein paar Atemübungen ausprobieren, bis der Hunger zu einem entspannten Mahl ruft
- Gemütlich auf dem Sofa "lümmeln", dabei Lieblingsserien schauen oder ein Buch zu lesen
- Wie wäre es mit ruhiger Bewegung, die Sie wieder mehr in Kontakt mit ihrem Körper (und Ihrer Seele) bringt?
- Auch hier geht es ganz um Ihre individuellen Vorlieben: Schwimmen, im Schritt ausreiten, gemütlich joggen, in der Natur spazierengehen oder Radfahren
- Sehr gut helfen erfahrungsgemäß auch Massagen, einfache leichte Pilates- oder Yoga-Übungen bei der Entspannung
Denken Sie einfach immer daran, dass gerade nur Ihr Wohlbefinden im Mittelpunkt steht, wechseln Sie Ihre Beschäftigungen ganz nach Empfinden und Bedürfnis. Nach einer langen Zeit stressiger Arbeit unter hoher körperlichen Belastung ist im Zweifel immer "Nichtstun" genau das Richtige - was Sie dann aber auch richtig genießen dürfen.
Damit der Tag wirklich dabei hilft, Abstand vom Dauerstress zu gewinnen, sollten an diesem Tag einige gewohnte Beschäftigungen zum Tabu erklärt werden:
- Keine stundenlangen Unterhaltungen in den sozialen Medien oder am Smartphone
- Schön wäre etwas gesunde Ernährung, obwohl das Lieblings-Fast Food am Entspannungstag ausdrücklich erlaubt ist
- Machen Sie einen Bogen um die "Grübelfalle" - indem Sie sofort Ablenkung suchen, wenn die Gedanken zu kreisen beginnen
Was Sie noch zur Vorbeugung tun können: Entspannung lernen, Resilienz stärken
Wenn Sie unter Dauerstress leiden, können Sie mehr für die Pflege Ihrer psychischen Gesundheit tun, weil nicht nur regelmäßige Stress-Unterbrechung gegen
Entwicklung negativer Folgen wie Depressionen vorbeugt:
- Überdenken Sie Ihr Zeitmanagement: Jede zusätzliche zusätzliche Pause entspannt - und steigert die Fähigkeit zur Entspannung
- Vielleicht können Sie Zeit für etwas mehr entlastende Bewegung "freischaufeln"; für Lieblings-Sportarten oder gemütliche Spaziergänge
- Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse, welche Kurse dort zum Erlernen besserer Stressbewältigung angeboten werden
- Integrieren Sie "bewusste Entspannung" in Ihr Leben: Rhythmische Bewegung im Freien, Achtsamkeitsübungen, Yoga, Meditation
- Nehmen Sie das Thema ernst, üben Sie die Stressbewältigungs- und Entspannungstechniken immer wieder im Alltag
- Erst während Ihres persönlichen Mental Health Days, dann in kürzeren Pausen, bis Sie sich auch im größten Stress "selbst herunterfahren können"
All diese Tätigkeiten können Sie ganz nach Belieben kombinieren. Sie sollten Sie nur dauerhaft beibehalten, weil sie alle dabei helfen, Ihre Resilienz (psychische Widerstandskraft) und ihre Stressresistenz wieder nachhaltig zu stärken und so zu mehr innerer Ruhe zu gelangen.
FAQ
Wenn Sie ihn wie empfohlen regelmäßig einplanen, sollten Sie einfach einen Urlaubstag in die nachhaltige Entspannung investieren, wenn die normale Freizeit nicht ausreicht. Dieser Urlaubstag ist sehr gut investiert, wenn er Sie vor der Entwicklung von Depressionen bewahrt. Aus dem gleichen Grund sollten Sie auch nicht zögern, sich einen Tag krank zu melden, wenn der Stresspegel ganz akut und dringend gesenkt werden muss.
Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ein Mensch, der in gesundem Kontakt zu seiner Seele steht, spürt das ganz von alleine. Wenn Sie den Kontakt zu ihrer Seele bereits ein wenig verloren haben, können Sie ihn mit etwas mehr Aufmerksamkeit häufig selbst wieder herstellen. Sobald Sie merken, dass das nicht gut gelingt, sollten Sie Hilfe suchen, siehe Frage 4.
Die oben erwähnte neurologische Studie beweist das - wenn Sie rechtzeitig damit beginnen, Entspannungstage einzulegen bzw. sich überhaupt mit der Pflege der eigenen mentalen Gesundheit beschäftigen.
Ganz schnell fachkundige Hilfe suchen, weil sich die Entwicklung von Depressionen und anderen Störungen anfangs meist noch abwenden lässt und sich auch bereits vorliegende Störungen Tag für Tag mehr verfestigen.
Quellen
https://wfmh.global/world-mental-health-day/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1414666/