Perfektionismus
Charakteristisch für Perfektionisten sind hohe Standards, hohe Ziele und hohe Ansprüche an sich selbst. Mit Perfektionismus gehen häufig eine große Versagensangst, Befürchtungen zu scheitern oder Angst vor dem Verlust von Wertschätzung und Ansehen durch Mitmenschen einher. Derart hohe Ansprüche von Perfektionisten an sich selbst oder der Wunsch, hohe Ansprüche anderer zu erfüllen, können zu psychischen Problemen führen.
Experten gehen davon aus, dass immer mehr Menschen danach streben, ein persönliches Optimum in sämtlichen Lebensbereichen zu erreichen. Das Streben nach Perfektion kann positive Auswirkungen haben, beispielsweise bei der Bewältigung von Aufgaben, die besonders anspruchsvoll sind oder eine gute Organisation erfordern. Ein Streben nach Perfektion kann ein großer Ansporn sein und dazu führen, dass perfektionistische Menschen besonders große Erfolge verzeichnen – wie etwa in der Karriere oder im Leistungssport.
Unterteilung des Phänomens Perfektionismus
Eine Unterteilung des Phänomens Perfektionismus ist jedoch wichtig: Es kann zwischen funktionalem und dysfunktionalem Perfektionismus unterschieden werden:
Funktionaler Perfektionismus ist bei Personen zu finden, die ihr Bestes geben, sich intensiv bemühen und an hohen Leistungen orientiert sind. Sollte die angestrebte Leistung jedoch nicht vollständig erreicht werden, so können sie dies akzeptieren und verlieren sich nicht in negativen Emotionen oder einer übertriebenen gedanklichen Beschäftigung mit dem vermeintlichen Misserfolg. Schaffen sie es, die gewünschte hohe Leistung zu zeigen, freuen sie sich und empfinden Stolz.
Dysfunktionaler Perfektionismus ist gekennzeichnet durch eine perfektionistische Besorgnis. Wird das hoch gesteckte Ziel nicht erreicht, so neigen dysfunktionale Perfektionisten dazu, sich ausschließlich mit den Problemen ihrer Leistung zu beschäftigen. Ihr Selbstwert ist stark mit ihrer Leistung verknüpft, sie empfinden keine bedingungslose Wertschätzung sich selbst gegenüber und gehen häufig davon aus, dass auch andere so für sie empfinden. Darum versuchen sie, durch Spitzenleistung Anerkennung zu erfahren und machen ihren Selbstwert häufig vom Urteil anderer abhängig.
Ursachen von Perfektionismus
Für die Entstehung von Perfektionismus kann u.a. die Prägung durch wichtige Bezugspersonen (z.B. in der Familie) ein wichtiger Faktor sein. Beispielsweise können fehlende Erwartungen und Richtlinien von Eltern dazu führen, dass Kinder perfektionistische Ansprüche entwickeln. Aber auch in einem Kontext ohne feste Strukturen und Regeln kann ein Kind durch das Entwickeln von Perfektionismus versuchen, ein Gefühl von Kontrolle zu erlangen. Aber auch Überfürsorglichkeit und starke Besorgtheit von Elternkönnen zu perfektionistischen Tendenzen führen. Eltern, die selbst perfektionistisch sind, können ebenso als Rollenvorbilder für ihr Kind werden, so dass sich das Kind durch Nachahmung ebenfalls perfektionistische Verhaltensweisen aneignet.
Weiterhin wird davon ausgegangen, dass neben der Prägung durch enge Bezugspersonen auch das Temperament und die Veranlagung des Kindes sowie Umweltfaktoren eine Rolle bei der Entstehung von Perfektionismus spielen. Hoher Erwartungsdruck kann bei Kindern z.B. zu einer Übernahme von perfektionistischen Werten führen oder im Gegenteil zu einer Rebellion gegen die hohen Ansprüche der Eltern.
Außerdem gibt es auch Faktoren, die außerhalb der Familie liegen, welche die Entstehung von Perfektionismus begünstigen. Soziale und kulturelle Einflussgrößen wie die Schule oder auch gesamtgesellschaftliche Werte können beispielsweise auf das Perfektionismus-Bestreben der einzelnen Personen wirken. Faktoren wie das Bildungssystem und die darin vermittelten gesellschaftlichen Erwartungen an Kinder und junge Menschen können die Entwicklung von perfektionistischen Strukturen begünstigen.
Risiken von Perfektionismus
Dysfunktionaler Perfektionismus ist mit mehreren Risiken verbunden. Perfektionisten laufen Gefahr, aufgrund des ständigen Drangs nach Höchstleistungen und aufgrund von Bemühungen, mit denen sie über ihre Grenzen hinausgehen, einErschöpfungssyndrom zu entwickeln. Perfektionistische Grundhaltungen werden mit vielen häufigen psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Darunter fallen Depressionen, Angststörungen, Zwänge oder Essstörungen.
Perfektionismus ablegen
Wer unter perfektionistischen Tendenzen im Alltag leidet, kann durch langsames und bewusstes Trainieren versuchen, mehr Akzeptanz für kleine Unsicherheiten und Fehler zu erlernen. Um der Perfektionismus-Falle zu entkommen, können folgende Ratschläge hilfreich sein:
- Einfach loslegen! Abschied von der Idee nehmen, die perfekten Vorbereitungen zu treffen. Gleich anfangen!
- Tun statt denken! Zu viel Nachdenken kann von der eigentlichen Aufgabe abhalten. Besser direkt mit der Umsetzung beginnen und loslegen!
- 80% reichen oft! Alles bis zu Ende zu perfektionieren kostet viel Nerven, Zeit und Mühe. 80% der angestrebten Leistung erfüllen meist auch ihren Zweck und verhindern ein Verlieren in unwichtigen Details.
- Wissen, wann es genug ist! Nicht aus den Augen zu verlieren, wann genug getan ist und auf die eigenen Bedürfnisse hören. Sich Pausen zu gönnen und Fehler als Chancen zu begreifen führt zu mehr Zufriedenheit.
- Loslassen! Nicht alles und jedes Detail erledigen und überprüfen wollen. Beispielsweise bevor Gäste kommen, nur das Wohnzimmer saugen anstatt der ganzen Wohnung. Oder einfach mal Aufgaben liegen lassen und am nächsten Tag erledigen und sich stattdessen schönen Aktivitäten widmen.
Die Umsetzung der Tipps langsam sollte langsam und regelmäßig erfolgen. Auch hierbei gilt, dass keine sofortige perfekte Umsetzung notwendig ist. Die Aufgaben können dabei helfen, ein selbstbestimmtes, erfolgreiches und entspannteres Leben zu führen. Bei überdauernden Beeinträchtigungen und belastenden Symptomen empfiehlt sich jedoch eine psychiatrisch-psychotherapeutische Konsultation.
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