Psychische Belastung bei Flüchtlingshelfern
Deutschland im Spätsommer 2015: Hunderttausende Flüchtlinge retten sich auf den abenteuerlichsten und gefährlichsten Wegen nach Europa. In Deutschland und andernorts finden sich zahlreiche Menschen zusammen, die den Männern, Frauen und Kindern aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern helfen wollen. Die Medien sprechen schon bald von einer Willkommenskultur. Einsatzkräfte und freiwillige Helfer besorgen Essen und Trinken, Kleidung und hygienische Produkte. Sie kümmern sich um Unterkunftsmöglichkeiten und helfen zum Großteil ehrenamtlich über Monate in den verschiedensten Positionen mit. Die Ankunft am Münchner Bahnhof ist nur ein Beispiel von vielen in diesem Sommer. Doch die bürokratischen Mühlen Deutschlands mahlen langsam. Viele sind der Meinung, dass die BRD mit der großen Anzahl der Asylbegehrenden überfordert wäre. Ohne die vielen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Flüchtlingshilfe wäre die Situation nur sehr schwer zu bewerkstelligen.
Erschöpfung und Überforderung
Im Spätsommer dieses Jahres jährt sich der Sommer mit Angela Merkels markant gewordener Aussage „Ja, wir schaffen das!“ nun zum zweiten Mal. Viele der Helfer von einst sind noch mit dabei. Andere haben sich aus der direkten Flüchtlingshilfe zurückgezogen, weil sie selbst seelisch ausgebrannt sind, sich leer fühlen. Erschöpfung und Überforderung werden als Gründe genannt. Das klingt überaus verständlich, setzt sich der Kreis der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter doch meist aus nicht dazu ausgebildeten und geschulten Freiwilligen zusammen. Mitarbeiter, die mit hoch traumatisierten Menschen zusammentreffen. Mit Menschen, die Bruder, Schwester, Mutter oder Vater verloren haben, manche mehrere gleichzeitig. Mit Menschen, die Brandwunden aufweisen, versehrt und unterernährt sind. Mit Menschen, die noch immer getrennt sind von ihren Angehörigen. Mit Menschen, die vor banalen Dingen Angst haben können, weil es eine traumatische Erfahrung in ihnen wachruft.
Dauereinsatz – kein Ende in Sicht
Aber nicht nur die intensive Begegnung mit Flüchtlingen, auch die Ausdehnung der Arbeitszeit wirkte sich belastend auf die Psyche von Helfern und Einsatzkräften aus. Nach Monaten des unermüdlichen Einsatzes, der oftmals zeitlich herausfordernder war als gedacht – die Zahl der Asylbegehrenden war unerwartet hoch und überforderte mancherorts die örtlichen Strukturen, das notwendige Personal fehlte an allen Ecken und Enden, nicht nur in Ämtern und Heimen –, sind nun viele Helfer an die Grenzen ihrer persönlichen Belastbarkeit gekommen.
Aus den Erfahrungen der letzten beiden Jahre können folgende Belastungsschwerpunkte identifiziert werden:
- Große emotionale Nähe zu Flüchtlingen und ihren persönlichen Schicksalen im Herkunftsland oder auf der Flucht
- Belastungen durch das intensive Erzählen/die Wiedergabe traumatischer Erfahrungen (betrifft vor allem Dolmetscher)
- Erschöpfung durch lang andauernden unentwegten Einsatz
- Ärger und Unverständnis hinsichtlich politischer Entscheidungen
- Unverständnis im Bekannten- und/oder Familienkreis
- Vernachlässigung eigener Aufgaben und Beziehungen zu Familie und/oder Freunden
Hilfe für Helfer
Damit Einsatzkräfte und ehrenamtliche Helfer nicht selbst seelischen Schaden nehmen, gilt es, Hilfsangebote zu etablieren. Das können zum einen kurze und einfache Entlastungsgespräche mit jenen Mitarbeitern sein, die bereits in der Flüchtlingshilfe tätig sind. Als Gesprächspartner eignen sich dafür all jene Personen, die Erfahrung in der Gesprächsführung mit Gruppen besitzen. Ein besonderes Augenmerk sollte hinsichtlich dessen auch Dolmetschern gelten, die aufgrund ihrer Muttersprache und der Tätigkeit an sich besonders nah an der betreuten Person und ihrer Historie sind.
Des Weiteren sind Schulungen für aktuelle und künftige Mitarbeiter zu empfehlen. Als Themen eignen sich: Stressprävention (Umgang mit eigenen Belastungsfaktoren, Verarbeitungstechniken, Resilienz), Motivations- und Standpunktklärung, interkulturelles Lernen (Umgang mit Menschen anderer Religionszugehörigkeit und kultureller Herkunft), psychotraumatologische Grundkenntnisse, Grundkenntnisse der politischen Lage (Fluchtgründe, politische Zusammenhänge …), Kenntnisse zum Asylverfahren (Grundlagen des Migrationsrechts), Gewalt- und Konfliktprävention oder Schwerpunktthemen zum Beispiel zur Situation von (unbegleiteten) Kindern und Jugendlichen.
Die Oberbergkliniken bieten Hilfe bei psychischen Belastungen wie traumabedingten Störungen wie zum Beispiel Ablbträume, Intrusionen oder Flashbacks. Wenn Sie mehr dazu erfahren möchten, beraten wir Sie gerne über die bekannten Wege.
Weiterführende Informationen & Quellen
- Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Berlin (2017): Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in Deutschland. GESIS Datenarchiv, Köln. ZA6622 Datenfile Version 1.0.0, doi:10.4232/1.12751
- Tipps & Informationen für ehrenamtliche Helferinnen und Helfer
- https://asyl-bc.de/aktuelles/umfrage-psychische-belastung-fluechtlingshelferinnen
- http://www.aktion-neue-nachbarn.de/was-sollten-sie-als-fluechtlingshelfer-mitbringen/
- BPTK Ratgeber für Flüchtlingshelfer
- http://www.berliner-zeitung.de/berlin/ehrenamt-wenn-fluechtlingshelfer-ploetzlich-selbst-hilfe-brauchen-22690862
- http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/fluechtlingshelfer-brauchen-selbst-psychologische-hilfe-14226938.html