Herbstdepression und Winterdepression – was ist eine saisonal bedingte Depression?
Nasskaltes, trübes Herbst- und Winterwetter, kurze Tage und lange Nächte: oft kommt man kaum aus dem Bett. In der Dämmerung macht man sich auf den Weg ins Büro, verbringt dort den ganzen Tag und fährt bei Dunkelheit wieder nach Hause. Viele Menschen fühlen sich im Herbst und Winter schlapp und antriebslos und leiden unter dieser Stimmung bis ins Frühjahr. Dahinter steckt manchmal eine spezielle Form von Depression, der Herbstdepression und Winterdepression.
Die Winterdepression gehört zu den saisonal auftretenden Störungen des Gefühlslebens (SAD = seasonal affective disorder). Etwa jede 10. Depression, die im Winter auftritt, ist eine tatsächliche Winterdepression. Damit ist die Winterdepression seltener als andere Depressionsformen. Nach Expertenschätzungen sind in Europa 1 – 2 % der Erwachsenen von einer SAD betroffen.
Winterblues
Eine harmlosere Form der Winterdepression ist der Winterblues. Betroffene schleppen sich müde, energielos und schlapp durch die Herbst- und Wintertage. Doch depressiv sind sie nicht. Fachleute nennen diese abgeschwächte Form der Winterdepression subsyndromale SAD (s-SAD).
Winterdepression: ein Fallbeispiel
Auch Kinder und Jugendliche können an einer Winterdepression erkranken. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Unser Fallbeispiel Simon Müller, 35 Jahre alt, berichtete über regelmäßige depressive Episoden, die ungefähr seit dem Alter von 26 in mal schwächerer, mal schwerer Form auftraten und ihn in seiner Alltagsbewältigung stark einschränkten. Erst in der Rhein-Jura Klinik wurde bei ihm nach Ausschluss anderer Krankheiten eine saisonal abhängige Depression diagnostiziert.
Jedes Jahr zwischen September und Oktober wurde er depressiv. Er war antriebslos, fürchtete sich davor, zur Arbeit zu gehen und vermied Interaktion mit anderen Menschen. Herr Müller fühlte sich oft grundlos und unkorrigierbar freudlos. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren, Entscheidungen fielen ihm schwer.
Sein Schlaf- und Nahrungsbedürfnis steigerte sich in diesen Monaten. Er schlief nachts mindestens 10 Stunden und fühlte sich dennoch müde und nicht erholt. Tagsüber hatte er Heißhunger auf Kohlenhydrate und nahm aufgrund seiner saisonal geänderten Ernährung an Gewicht zu. „Symptome wie Heißhunger und ein ausgeprägtes Schlafbedürfnis sind ausgesprochen typisch für die Winterdepression und unterscheidet sie von der Depression aufgrund psychosozialer Stressfaktoren. Zusätzlich können die übrigen Leidensmuster einer Depression auftreten, wenn auch meistens leichter und abgeschwächter“, erklärt Samer Schleusener, stellvertretender Ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura Bad Säckingen und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
Herr Müllers Stimmung hob sich meistens ab Februar wieder. Er bemerkte ein Abnehmen seiner täglichen Sorgen und freute sich zunehmend auch wieder darauf, zur Arbeit zu gehen. „Die Räder in meinem Kopf begannen sich wieder zu drehen. Meine Gedanken erwachten so langsam wieder zum Leben und ich hatte neue, kreative Ideen“, erzählt Herr Müller. „Mein ganzes Sozialleben und Berufsleben hatte aber in den vergangenen Wochen schwer gelitten, nun fühlte ich mich, als müsste ich erst einmal einen großen Scherbenhaufen zusammenkehren. Ich musste auch meinem Chef und meiner Partnerin immer aufs Neue beweisen, dass ich wieder verlässlich und stabil bin. Das hat mich sehr belastet. Mir wurde klar, so geht es nicht weiter.“
Ursachen und Heilungschancen der Winterdepression
Doch woher kam die alljährlich wiederkehrende depressive Stimmung, die nicht nur Herrn Müller, sondern viele andere Menschen je nach Jahreszeit quält?
Je nachdem, wie viele Stunden pro Tag es im Herbst und Winter an einem Ort dunkel ist, lassen sich regionale Unterschiede bei den Betroffenen einer Herbstdepression bzw. Winterdepression feststellen. In südlichen Ländern am Mittelmeer sind Winterdepressionen kaum bekannt, in Skandinavien gibt es mehr Erkrankte als in Deutschland. „Die genauen Ursachen der Winterdepression sind noch nicht erforscht. Ein Zusammenhang von Lichtmangel in Herbst und Winter und depressiver Stimmung ist jedoch wissenschaftlich unbestritten“, so Schleusener. „Wir behandeln seit einigen Jahren depressiv Erkrankte erfolgreich mit sehr hellem Licht.“
Der Spiegel bestimmter Hormone spielt eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der depressiven Symptome. Wie bei der Depression liegt bei der Winterdepression ein Mangel an den Botenstoffen Serotonin und Noradrenalin im Gehirn vor. Sie sorgen für Stimmung, Antrieb, Denken, Fühlen und Schlaf. In Herbst und Winter produziert der Körper aufgrund des Lichtmangels am Tag erhöht Melatonin. Dieses Hormon ist für den Schlafbedarf zuständig. Es bewirkt, dass wir müde werden sobald es dunkel wird. Bei einigen Menschen bewirkt ein erhöhter Melatonin-Spiegel eine Winterdepression.
Herr Müller hat auf Anraten seines Hausarztes eine stationäre Behandlung in einer der Oberberg Fachkliniken (hier: Oberberg Fachklinik Rhein-Jura Bad Säckingen) begonnen. Nach einer ausführlichen Diagnose, die eine chronische Depression ausschloss, empfahl ihm sein behandelnder Psychiater neben anderen Maßnahmen zur Behandlung seiner Beschwerden eine Lichttherapie. Zehn Tage lang erhielt er eine morgendliche Licht-Anwendung kurz nach dem Aufstehen. Die Regelmäßigkeit ist hier sehr sinnvoll, um den Schlaf-Wach-Rhythmus, der bei Depressionen gestört ist, richtig zu takten (innere Uhr). Die Dauer der Behandlung bei Depressionen hängt generell von der Lichtstärke der Lampe ab und variiert zwischen zwei Stunden (2.500 Lux) und 30 Minuten (10.000 Lux). In der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura Bad Säckingen werden Lichttherapiegeräte mit einer Lichtstärke von mindestens 10.000 Lux verwendet, Herr Müller absolvierte deshalb eine tägliche Therapieeinheit von 30 Minuten.
Auswirkungen der Lichttherapie
Einen positiven Effekt bemerkte er schnell. Nach sechs Tagen verringerten sich seine Sorgen und Niedergeschlagenheit deutlich. Er verspürte eine gesteigerte Lust auf Aktivitäten und Bewegung. Auch auf seine tägliche Arbeit freute er sich wieder. Etwas mehr als zwei Wochen nach Beginn der Therapie war Herr Müller symptomfrei. Ihm haben Tipps zur Lebensgestaltung im Herbst und Winter sowie vor allem die Lichttherapie geholfen. Es war überaus wichtig, die Ursachen für seine Beschwerden zu erkennen. Für künftige Episoden ist er nun vorbereitet und kann seiner Umgebung auch besser vermitteln, was ihn in dieser Zeit beeinträchtigt und wie er dem entgegenwirken kann.
Sechs bis neun von zehn Patienten mit Depressionen erleben innerhalb von zwei bis drei Wochen eine Besserung oder Linderung ihrer Symptome. „Wir setzen die Lichttherapie besonders bei leichter bis mittelschwerer Winterdepression ein. Bei einer schweren Winterdepression wenden wir neben einer Psychopharmakatherapie auch Psychotherapie an und ergänzen sie mit Lichttherapie“, so Schleusener. „Die Betroffenen können selbst auch etwas zu ihrer Besserung beitragen und sich so oft wie möglich dem Tageslicht aussetzen. Radfahren, Joggen und Spazierengehen helfen dabei, den Kreislauf in Schwung zu bringen und Licht zu tanken.“
Herr Müller hat in seinen Abläufen für die Wintermonate einiges verändert: In Absprache mit seinem Arbeitgeber nimmt er in dieser Jahreszeit eine längere Mittagspause, in der er joggt und walkt. Dies hilft ihm, geringerer Leistungskapazität aufgrund der Herbstdepression und insgesamt Fehlzeiten wegen Krankheiten zu reduzieren. Außerdem hat er sich eine starke Lichttherapielampe angeschafft, die er morgens für 30 min einsetzt. So, hofft er, kann er die Symptome der Herbstdepression künftig eindämmen.
Wollen Sie mehr über das Lichttherapie-Angebot der Oberberg Kliniken erfahren? Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit!