07.12.2023

Wenn Schule zum „No Go“ wird

Dr. Andrea Stippel, Chefärztin der Oberberg Fachklinik Konraderhof, informiert über Schulabsentismus

Köln/Hürth, 7. Dezember 2023. Dass Schülerinnen und Schüler mal „keinen Bock auf Schule“ haben oder auch gerne mal eine Schulstunde „blaumachen“ möchten, gehört zum Schulleben irgendwie dazu. Problematisch wird es jedoch, wenn es hohe Fehlzeiten gibt und große Lücken bei der Bewältigung des Unterrichtstoffs entstehen. Dr. med. Andrea Stippel, Ärztliche Direktorin und Chefärztin der Oberberg Fachklinik Konraderhof, informiert über die Ursachen von Schulabsentismus und mögliche Ansätze zur Behandlung.

Schwierige Perspektiven
„Wenn von Schulabsentismus die Rede ist, ist nicht ein gelegentliches Fehlen im Unterricht gemeint oder eine zeitweise Unlust, am Unterricht teilzunehmen. Vielmehr geht es dabei um ein dauerhaftes Vermeiden des Schulunterrichts, was oft nicht ohne Folgen bleibt“, gibt Dr. Stippel zu bedenken. Denn vielfaches Fernbleiben vom Unterricht kann sich in der Regel negativ auf die Schulleistung, aber auch auf die sozialen Kontakte, auswirken. Es stellt sich dann die Frage, wie diese typische Lebensaufgabe im Kindes- und Jugendalter, der in Deutschland verpflichtende Schulbesuch, noch bewältigt werden kann. Denn Schule bedeutet auch die Chance auf Bildung, die die Weichen für die Zukunft stellt und Perspektiven bietet.

Wenn das Fehlen in der Schule mehr ist als reine Unlust
Um mit Schulabsentismus angemessen umgehen zu können, muss zunächst herausgefunden werden, was die Ursachen dafür sind. So sollte geklärt werden, ob es sich um eine Gleichgültigkeit gegenüber der Schule und dem Lernstoff handelt und woraus diese resultiert. Gründe können hier zum Beispiel andauernde fehlende Lernmotivation oder mangelndes familiäres Interesse an der schulischen Leistung des Kindes sein.

Oder ob psychische Probleme bestehen, die den Schulbesuch für das Kind unerträglich machen. Man spricht dann auch von Schulverweigerung zum Beispiel aufgrund von ADHS, Schulangst oder Schulphobie. Letzteres ist dann der Fall, wenn das Kind beispielsweise unter sozialen Ängsten oder Trennungsangst leidet. In diesen Fällen spielt die Schule an sich meist eine eher untergeordnete Rolle. Die Ursache der Probleme liegt vielmehr in den Schwierigkeiten, sich von zu Hause, dem sicheren Ort, und Bezugspersonen zu trennen. Häufig kommt Schulphobie im Grundschulalter vor. Gründe können sein, dass sich das Kind übertrieben um die Bezugsperson sorgt oder einen Verlust der Person befürchtet.

Leidet das Kind unter Schulangst im Sinne einer sozialen Phobie oder unter einer Aufmerksamkeitsproblematik, bestehen in der Regel Konflikte innerhalb der Schule, denen das Kind aus dem Weg gehen möchte. Mobbingerfahrungen, Versagensängste, Überforderung oder ein schwieriges Verhältnis zur Lehrerin oder zum Lehrer können dazu führen, dass Schule vermieden oder sogar verweigert wird.

Häufig zeigen sich bei Kindern und Jugendlichen mit Schulangst oder Schulphobie auch somatische Symptome wie Bauch- oder Kopfschmerzen, Übelkeit oder Durchfall, die oftmals zumindest zur kurzfristigen Beurlaubung vom Schulunterricht führen können, womit ein problematischer Kreislauf angestoßen werden kann.

Was kann man tun?
Nicht immer ist die Familie informiert, dass das Kind dem Unterricht fernbleibt. Oder die Familienangehörigen können nur schlecht mit seinem Leidensdruck umgehen, haben Mitleid mit der seelischen Not oder den körperlichen Beschwerden ihres Kindes und entschuldigen sein Fernbleiben vom Unterricht. Auch kann es vorkommen, dass ein Elternteil eigene negative Erfahrungen während der Schulzeit auf das Kind überträgt und aus diesem Grund sogar das Fernbleiben vom Unterricht in Ordnung findet.

Auch für das Lehrpersonal stellt die Situation eine Herausforderung dar, da es sich insgesamt negativ auf die Klassenstruktur und das Fortkommen mit dem Unterrichtsstoff auswirken kann. „Um die Situation des Kindes verstehen zu können und rechtzeitig passende Lösungen zu finden, damit kein dauerhafter Fehlzustand entsteht, ist bei bestehendem Verdacht frühzeitiges Handeln wichtig. Dabei sollte sich die Schule gemeinsam mit der Familie des Kindes sowie mit psychologischen Expertinnen oder Experten dem Kind und dem Thema annehmen“, rät die Expertin, die in der privaten Oberberg Fachklinik Konraderhof Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen betreut. Insgesamt geht es darum, bei dem Kind wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu wecken, mit ihm in Bezug auf seine Schwierigkeiten ins Gespräch zu gehen und ggf. auch fachlich zu unterstützen, bis das Kind sich wieder sicher genug fühlt und selbstwirksam seine Probleme angehen kann.

Mehr über die Klinikschule im Rhein-Erft-Kreis

Die Klinikschule befindet sich u.a. auf dem Gelände der Oberberg Fachklinik in Hürth. Das Kollegium besteht aus 14 Lehrkräften.

Das Angebot der Schule richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die wegen einer stationären Behandlung mindestens vier Woche nicht am Unterricht ihrer Schule teilnehmen können. Der Unterricht findet täglich fünf Stunden statt, die Wissensvermittlung orientiert sich dabei an den Lehrplänen der Stammschule.

Ziel ist es u.a., den Selbstwert des Kindes zu stärken, ihm Stabilität im Klinikalltag zu geben und ihm Normalität und Struktur zu vermitteln, Lernerfolge zu ermöglichen, Lebensfreude wieder zu wecken und Zukunftsperspektiven zu schaffen.

Die Klinikschule kooperiert mit der Stammschule des Kindes sowie mit den Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten und dem Pflegepersonal der Oberberg Fachklinik.

www.klinikschule-rek.de

 

Weitere Informationen zur Oberberg Fachklinik Konraderhof:
https://www.oberbergkliniken.de/fachkliniken/konraderhof

Über die Oberberg Gruppe: Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit einer Vielzahl an Fach- und Tageskliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an verschiedenen Standorten in Deutschland. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg City Centers, korrespondierenden Therapeutinnen und Therapeuten sowie Selbsthilfegruppen.