Traumafolgestörungen: Wie die Psyche auf Extremsituationen reagiert
Schlangenbad, 12. Mai 2022 – Millionen Menschen sind bereits vor dem Krieg geflüchtet. Was sie erlebt haben, hinterlässt bei vielen tiefe Spuren. Denn für Körper und Psyche bedeuten traumatische Geschehnisse wie Krieg und Gewalt enormen Stress. Die Verarbeitung dieser Erlebnisse verläuft dabei von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. „Manche Betroffene reagieren schon nach kurzer Zeit sehr intensiv auf das Trauma, andere stark verzögert, wieder andere scheinen davon kaum tangiert. Dieses Verhalten ist der Versuch, mit einer außergewöhnlich hohen Belastung umzugehen, und zwar auf eine ganz individuelle Art und Weise“, erklärt Priv.-Doz. Dr. phil. Lars Hölzel, Leitender Psychologe an der Oberberg Parkklinik Wiesbaden Schlangenbad und der Oberberg Tagesklinik Frankfurt am Main.
Wie Menschen auf Traumata reagieren
Dennoch gibt es typische Reaktionen, die Menschen nach Extremereignissen zeigen. Dazu gehören körperliche Anzeichen wie Herzrasen, Übelkeit, Erschöpfung, erhöhte Schreckhaftigkeit, Schlafprobleme oder Konzentrationsschwierigkeiten. Andere Betroffene leiden unter belastenden Erinnerungen oder wiederkehrenden Bildern, die auch in Alpträumen oder als Flashbacks auftauchen können. Häufig äußern sich auch starke Emotionen wie Gereiztheit, Wut, Hoffnungslosigkeit oder Niedergeschlagenheit. Gleichzeitig kann es bei traumatisierten Menschen zu Momenten kommen, in denen sie erstarren, geistig abwesend oder sogar nicht mehr ansprechbar sind. In der Psychologie spricht man hierbei von dissoziativen Zuständen: Das Gehirn der Betroffenen blendet einen Teil der Wahrnehmung aus, um die eigene Psyche vor einer Reizüberflutung zu schützen.
Die meisten Menschen erleben nach traumatischen Erfahrungen für einige Tage, Wochen oder sogar Monate zumindest einige dieser Reaktionen. „Dies ist völlig normal und nachvollziehbar und kann als Zeichen dafür verstanden werden, dass Körper und Psyche mit der Verarbeitung der Krise beschäftigt sind. In den meisten Fällen lassen die Symptome nach einiger Zeit von selbst nach“, sagt Dr. med. Tobias Freyer, Ärztlicher Direktor der Oberberg Kliniken in Schlangenberg und Frankfurt am Main.
Was Betroffene tun können
Trotzdem empfiehlt der Mediziner bestimmte Denk- und Verhaltensweisen, die dazu beitragen können, die Folgen der seelischen Erschütterung abzumildern. Oft helfe es schon, sich klarzumachen, dass das Geschehene vorbei ist und man es überlebt hat. Die Fragen „Wo bin ich gerade?“ und „Welches Datum ist heute?“ unterstützen dabei, sich bewusst zu machen, dass man nicht mehr in der traumatischen Situation ist, so Freyer. Positiv könne sich zudem der Austausch mit anderen Menschen, zum Beispiel in Form von Gesprächen über die eigenen Empfindungen, Tagebuch schreiben, eine feste Tagesstruktur und das Durchführen bewältigbarer Aufgaben auswirken.
Psychotherapeut Hölzel rät außerdem dazu, fürsorglich mit sich selbst umzugehen und sich im Alltag Zeit, für Dinge zu nehmen, die guttun. Dazu gehören schon vermeintlich einfache Tätigkeiten wie ausreichend zu schlafen, zu essen und zu trinken, regelmäßig zu entspannen und Pausen einzulegen. Um vom Erlebten abzulenken, sind angenehme Aktivitäten hilfreich, so der Experte. Für viele Menschen biete etwa die Natur eine wichtige Ressource, die Geschehnisse zu verarbeiten und die Aufmerksamkeit auf Positives zu richten.
Wann ist Vorsicht geboten?
Umgekehrt können sich bei von Traumata Betroffenen auch negative Bewältigungsstrategien entwickeln, die einer Erholung im Wege stehen. Laut Psychiater Freyer gehört dazu etwa, sich zurückzuziehen oder das traumatische Ereignis zu verdrängen. Die Vermeidung könne dabei unterschiedliche Formen annehmen: Von übermäßigem Fernsehen oder Computerspielen, über exzessives Arbeiten oder übertriebene Sicherheitsvorkehrungen bis hin zu unmäßigem Alkohol- oder Drogenkonsum. „Wer solches Verhalten bei sich selbst beobachtet, sollte sich Unterstützung suchen und sich das eigene Leben zurückerobern“, motiviert Freyer.
Auch wer sich stark beeinträchtigt fühlt oder unter langanhaltenden Symptomen leidet, sollte sich um eine diagnostische Abklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt oder eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten bemühen. Die Kliniken der Oberberg Gruppe sind auf die Behandlung von Traumata spezialisiert.
Mehr unter https://www.oberbergkliniken.de/krankheitsbilder/ptbs
Wer sich über die Folgen von traumatisierenden Erlebnissen informieren möchte, findet hier ein Dokument in deutscher, englischer, polnischer, russischer und ukrainischer Sprache: https://www.oberbergkliniken.de/artikel/psychische-folgen-traumatischer-erlebnisse

Über die Oberberg Gruppe: Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit einer Vielzahl an Fach- und Tageskliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an verschiedenen Standorten Deutschlands. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg City Centers, korrespondierenden Therapeuten und Selbsthilfegruppen.