20.07.2020

Suchtdruck? Keine Angst vorm Alkoholentzug

Suchtexpertin Dr. med. Reingard Herbst erklärt, was in Körper und Kopf passiert, und wie man sich vom Alkohol löst

Bad Bayersoien, 20. Juli 2020 – Das Glas Wein zum Ausklang des Tages, die Flasche Bier zum Einstieg in den Feierabend: Viele Menschen belohnen sich selbst mit Alkohol. Doch nicht nur die Menge, auch die Regelmäßigkeit kann zu einer Abhängigkeit führen. Erste Zeichen: Die Gedanken kreisen täglich und oft um die Alkoholaufnahme, die Beschaffung, eventuell um die Verheimlichung. Antriebslosig­keit und Desinteresse an sozialen Kontakten, am familiären oder beruflichen Umfeld können hinzu­kommen. Einem Verzicht folgt oftmals vermehrtes Trinken.

 

Dr. med. Reingard Herbst, Chefärztin der NESCURE® Privatklinik am See, weiß: „Abhängigkeit hat mit vielen Faktoren zu tun, wie unlösbaren Belastungen, Persönlichkeitsproblemen, Suchtstrukturen innerhalb der Ursprungsfamilie, aber auch mit unerfüllbaren Ansprüchen an sich selbst oder nicht abge­schlossenen Entwicklungsschritten in der Kindheit. Sinnverlust im Leben kann ein Faktor sein, aber auch Gewöhnung durch Spaß.“

 

Suchtdruck und schlechte Stimmung

Wer schon einmal einen Entzug durchlebt hat, kennt die unangenehmen Seiten dieser Zeit. Die kör­perlichen Entzugserscheinungen sind relativ schnell überwunden, aber meist sind es die psychischen Folgen, mit denen der Patient zu kämpfen hat. Ein starkes Verlangen nach dem Suchtmittel, der soge­nannte Suchtdruck, kann jeden Tag zum Kampf werden lassen. Hinzu können schlechte Stimmung, Gereiztheit, Antriebslosigkeit bis hin zur Depression kommen.

 

Die Ursache dafür lässt sich biochemisch erklären. „Dem Körper fehlen Glückshormone“, weiß die Ärztin. „Durch den jahrelangen Suchtkonsum ist das hormonelle Gleichgewicht im Gehirn gestört. Dopamin, Serotonin oder Endorphin stehen nicht mehr in ausreichendem Maße zur Verfügung.“

 

Mit dem Alter verlangsamte Entgiftung

„Auch, wenn es niemand gerne wahrhaben will, die Leber und der Wasserhaushalt des Körpers ver­ändern sich mit dem Alter“, warnt Dr. Herbst. Die Entgiftungsleistung durch das Enzymsystem der Leber wird geringer und langsamer und bei vielen älteren Menschen ändert sich zudem das Durstempfin­den, es wird oftmals weniger wahrgenommen. Wenn dann anstatt der nötigen Menge Wasser Alko­holhaltiges zu sich genommen wird, erhöht sich der Alkoholgehalt im Blut sehr schnell. Die noch als unbedenklich erachteten Grenzwerte liegen dann bei 10 Gramm Alkohol pro Tag, was einem Glas Bier mit 0,25 Liter oder einem Glas Wein mit 0,1 Liter entspricht. In jüngeren Jahren liegt dieser Wert für Männer wesentlich höher, bei etwa 24 Gramm Alkohol, bei Frauen allerdings nur wenig höher bei 12 Gramm Alkohol. Grund ist die andere Enzymausstattung der Frau. „Die Angabe ‚pro Tag‘ heißt aller­dings nicht, dass diese Menge Alkohol jeden Tag unbedenklich getrunken werden kann. Denn die Entwicklung einer Abhängigkeit hat mit Regelmäßigkeit zu tun und nicht nur mit der Menge des ge­trunkenen Alkohols“, erklärt Dr. Herbst.

 

Alkohol und Medikamente in gefährlicher Wechselwirkung

Nicht vergessen werden sollte auch, dass viele Personen über 65 Jahre häufig Medikamente einnehmen müssen, die ihrerseits in Wechselwirkung mit dem Alkoholabbau treten und daher zu höheren Blut­spiegeln des Alkohols und des Medikaments führen können. Das Medikament kann auch weniger oder stärker wirken, wodurch sich zusätzliche Nebenwirkungen ergeben, die gefährlich sein können. Hierzu zählen Medikamente, die bei Bluthochdruck genommen werden, wie z. B. ACE Hemmer oder Betablocker, Antidiabetika mit der Gefahr einer Unterzuckerung, aber auch Schmerzmittel wie Acetylsalizylsäure, Antidepressiva und Neuroleptika. Manche Antibiotika und Antipilzmittel blockie­ren den Alkoholabbau und führen daher zur stärkeren Wirkung des Alkohols.

 

Entgiftung, Entwöhnung, Erleichterung

Wer alkoholkrank ist, kann sich helfen lassen. Zuerst steht die grundsätzliche Entgiftung an, d. h. einige Tage Aufenthalt in einer Klinik, um den Alkohol gänzlich aus dem Körper verschwinden zu lassen. Anschlie­ßend sollte sich der Betroffene einer therapeutischen Behandlung in einer Klinik stationär oder ambulant unterziehen. Diese kann in Kurzzeit erfolgen als sogenannter qualifizierter Entzug in ent­sprechenden Kliniken, die Entgiftungsphase und Entwöhnungsansatz gleichzeitig anbieten.

 

Die Therapien selbst leiten sich aus tiefenpsychologischen und verhaltenspsychologischen Elementen her und sind heutzutage vielfältig und auf den Patienten zugeschnitten. Auch eine antidepressive Therapie ist oftmals ein wichtiger Baustein zur Stabilität des Menschen. In den Kliniken werden in ei­nigen Fällen auch Maßnahmen aus der ganzheitlichen Therapie angewandt, wie Akupunkturbehand­lung, Homöopathie, Neuro-Elektrische Stimulation, Körpertherapien oder Naturtherapien.

 

Die passende Klinik hängt oft davon ab, wieviel Zeit der Betroffene für seine Behandlung aufbringen kann und will. Im Internet gibt es dazu zahlreiche Suchmöglichkeiten und Bewertungsportale (z. B. Jameda), mit deren Hilfe man sich über Kliniken informieren kann. Außerdem sind meist Vor-Ort-Besuche mög­lich, um sich genauer zu informieren und die Klinik kennenzulernen.

 

Suchthilfe als Kassenleistung
Wichtig für den Suchenden ist es, die Bedingungen seiner Krankenkasse zu kennen. Die meisten Kassen übernehmen die der Entgiftung nachgestellte Entwöhnung oder generell den qualifizierten Entzug. Vor der Aufnahme in eine Klinik ist eine Anfrage bei der Kasse sinnvoll, außerdem ist die Einweisung eines behan­delnden Arztes notwendig. Nach dem Klinik-Aufenthalt geht es weiter, eine ambulante Therapie sollte folgen.

 

 

Zur Person: Dr. med. Reingard Herbst, Chefärztin der NESCURE® Privatklinik am See. Studium der Hu­manmedizin, Promotion, Allgemeinmedizinerin in eigener Privatpraxis für Naturheilverfahren, Sucht­therapie, Ernährungsmedizin und Entwicklungsneurologie und in der Ausbildung von Heilpraktikern.

 

Zur Klinik: Die NESCURE® Privatklinik am See ist eine der wenigen Kliniken in Deutschland, die sich auf die Behandlung einer Alkoholabhängigkeit als Hauptsuchtmittel spezialisiert hat. Der qualifizierte Entzug ist dank der eingesetzten Neuro-Elektrischen Stimulation (NES) sanft, in nur drei Wochen in kleinen Teams effektiv und effizient umsetzbar und besonders nachhaltig wegen der professionellen Nachbetreuung. Die Rückfallquote liegt bei der NESCURE®-Therapie bei unter 5 Prozent. Die NESCURE® Privatklinik am See ist eine Fachklinik der Oberberg Gruppe, dem führenden Qualitätsverbund privater Fachkliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland.

 

Weitere Informationen unter www.nescure.de