Gesünder leben und mehr Zeit mit den wirklich wichtigen Dingen verbringen – wer kennt sie nicht: die guten Vorsätze. Doch wie sorgt man dafür, dass die Vorsätze auch in die Tat umgesetzt werden und nicht am 2. Januar wieder vergessen werden?
Es ist naheliegend, an der Schwelle des alten Jahres zum neuen Bilanz zu ziehen und Ausblick zu nehmen: Was darf bleiben, wie es schon ist, was ist gut – was soll sich ändern? Wenn man den Umfragen glaubt, dann fassen etwa 40 Prozent der Deutschen sich Neujahrsvorsätze, zumeist in Richtung einer Veränderung.
Laut einiger Meinungsforscher geht es zumeist darum, Verhalten zu zeigen, von dem gedacht wird, dass es sich positiv auswirken könne. Auf Gesundheit, Familie, Freunde. Ganz oben in der Hitliste der Neujahrsvorsätze stehen in aller Regel folgende Punkte:
- mehr Sport
- gesündere Ernährung oder Abnehmen
- mehr Zeit für Familie, Freunde und Freizeit
- weniger Alkohol und weniger Rauchen
- sparsamer mit Geld umgehen.
Doch wenn es darum geht, die Vorsätze auch tatsächlich umzusetzen, schaffen die meisten das laut der Demoskopen mit nur gut der Hälfte der Vorsätze. Woran liegt es also, dass nicht alle guten Pläne in die Tat umgesetzt werden?
„Die Antwort liegt in der Gewohnheit“, erklärt Dr. phil. Dipl. Psych. Christian Klesse, leitender Psychologe der Rhein-Jura Klinik. „Natürlich ist der Wunsch großartig, sich besser zu ernähren. Was sollte schon dagegen sprechen? Aber da sind nun einmal unsere Essgewohnheiten, die wir schon lange pflegen und hegen und die erst einmal aufgegeben werden müssen.“ Angenommen also, jemand hat den Vorsatz gefasst, sich gesünder zu ernähren. Wie setzt er das in die Tat um? Ganz allgemein gesprochen, steht die Chipstüte von gestern Abend vielleicht noch auf dem Couchtisch. „Man sollte sich anstelle des allgemeinen Vorhabens etwas Konkretes vornehmen. Zum Beispiel beim nächsten Restaurantbesuch einen Salat zu bestellen“, rät Klesse. Natürlich sollte die Packung Chips auch nicht mehr im Einkaufswagen landen.
Die Nagelprobe bei der Realisierung des Vorsatzes entsteht, wenn die Umsetzung schwierig wird. Um an diesem Punkt nicht aufzugeben, ist es wichtig, sich auch über die Bedingungen klar zu werden. Ist der Vorsatz zum Beispiel mehr Sport, sollte man sich für das erste Mal Joggen nicht gleich die Silvesternacht vornehmen: es ist Winter, windig, kalt und regnerisch oder verschneit. Deshalb empfiehlt Klesse, sich für so einen Vorsatz besser das Frühjahr vorzunehmen, wenn die Bedingungen günstiger sind. „Ich muss mir klarmachen, welche Bedingungen auf mich zukommen und sollte sie ernst nehmen“, sagt der Psychologe. „Wenn es leicht wäre, sein Verhalten zu ändern, hätte ich ja längst das neue Verhalten begonnen und das alte aufgegeben“.
Absichten und Vorsätze
In der Psychologie gibt es die sehr wichtige Unterscheidung zwischen Absichten und Vorsätzen: Absichten sind vage, wie zum Beispiel die erwähnte, sich gesund zu ernähren; der Vorsatz ist die konkrete Formulierung dessen, wie etwas erreicht werden soll. Und das ist eine notwendige Voraussetzung, um Verhalten aufzubauen oder zu verändern. Neujahrsvorsätze sind, wenn sie unkonkret bleiben, nichts anderes als Absichten – und diese führen alleine nicht zu großen Änderungen.
Motivation und Volition
Weiterhin gibt es noch eine wichtige Unterscheidung, nämlich die zwischen Motivation und Volition. Das Wort Motivation kennt jeder; es bedeutet grob, dass jemand von innen oder außen heraus bestrebt oder ermutigt ist, etwas zu erreichen.
Volition bedeutet demgegenüber, das angestrebte Ergebnis durch eigenes Handeln erreichen zu wollen. Bereit zu sein, etwas potenziell Schweres auf sich zu nehmen und selbst dauerhaft tätig zu werden, um das Ergebnis zu erreichen.
Eine weitere Hürde auf dem Weg der Besserung ist der Umstand, wie rasch das Ergebnis erreicht werden soll. Ernährt man sich zum Beispiel eine Woche fettarm und nimmt weit weniger ab als gewünscht – obwohl das anstrengend war – ist die Motivation schnell dahin. „Hilfreich ist da eine Art Durchhaltemotivation und das Runterschrauben unrealistischer Ergebnisse“, weiß Klesse.
Zum Durchhalten weiß der Psychologe ein paar Tipps:
Gründe aufschreiben
Man sollte sich aufschreiben, warum etwas anders gehandhabt werden soll. So bringt einen die erste Schwierigkeit nicht gleich wieder vom Weg ab.
Erreichbare Ziele setzen
Nur wer erste Erfolge wahrnimmt, bleibt motiviert. Deshalb muss das Ziel erreichbar sein und eine Herausforderung, keine Überforderung sein. Wenn man jahrelang das Sitzen auf dem Sofa dem Spazierengehen in der Natur vorgezogen hat, ist es nicht realistisch, plötzlich jeden Tag eine Stunde zu joggen.
Klein anfangen
Besser klein anfangen – denn wer völlig erschöpft nach Hause kommt, steigt am nächsten Tag wahrscheinlich nicht gleich wieder in die Laufschuhe und läuft los. Sobald etwas Übung und Routine vorhanden ist, kann man sich langsam steigern.
Unter diesen Bedingungen lassen sich Neujahrsvorsätze realisieren. Klesse erzählt: „Ich selbst nehme mir zu Neujahr nichts vor – das mache ich im Jahresverlauf, dann, wenn mir etwas als ungünstig auffällt. Und ich rutsche selbst oft genug in die Gewohnheiten zurück, habe hier jedoch auch keine Illusionen: Wahrscheinlich ist mir dann das Ziel, so plausibel und sinnvoll es auch sein mag, nicht wichtig genug, dass ich mich ausreichend anstrenge; es gibt vielleicht auch keine hinreichenden Gründe. Oder, um es mit einem netten Kollegen zu sagen, von dem ich diesen Spruch einmal Anfang Januar gehört habe: „Folgt der Februar auf den Januar, wird’s neue Jahr, wie’s alte war.“ Etwas pessimistisch, zweifellos – aber auch realistisch in dem Sinn, dass ich mich einfach anstrengen muss, wenn etwas wirklich anders werden soll und nicht das neue Jahr ins Land geht, wie es das alte tat.“