Solche Bilder werden uns wohl nicht so schnell aus dem Kopf gehen. Bilder des Terrors sind gleichzeitig auch Bilder der Angst, der Trauer, der Bestürzung. Als am 7.1.2015 in Paris das Attentat auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ passierte, wurde die gesamte Welt erschüttert. Der Terror steht bei uns vor der Haustür, wir in der westlichen Welt, die wir sonst in sicheren Strukturen leben, leben jetzt in Unsicherheit.
Der Professor Gerd Gigerenzer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin und des Harding-Zentrums für Risikokompetenz, spricht von einem sogenannten „Zweitschlag“. Zunächst werden wir durch die physische Gewalt erschüttert, doch der zweite Schlag, sei das große Problem des Terrorismus. Dieser wirkt auf das Gehirn und produziert dort unsere Ängste. Die Auswirkungen des Zweitschlags können sehr weitreichend sein. Demnach könnten viele Amerikaner nach den Anschlägen des 11. Septembers nicht mehr fliegen und stiegen lieber ins Auto, was somit zu einer höheren Verkehrstotenrate auf den Straßen führte. Die Menschen dürfren sich aber nicht in ihrer Freiheit einschränken und verängstigen lassen, so Gigerenzer.
Es wird aber davon ausgegangen, dass das Attentat in Paris nicht derart massive Auswirkungen haben wird wie die Anschläge in New York. Denn wie einige Studien zeigen, hätte selbst das bloße Verfolgen der Live-Übertragung vom Zusammensturz des World Trade Centers dazu geführt, dass Menschen posttraumatische Belastungsstörungen entwickelten. Glücklicherweise wurden uns aus Paris keine solchen Bilder des grausamen Akts geliefert. Sicher ist, dass diejenigen, die direkt dabei waren, unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden werden. Darunter fallen beispielsweise Flashbacks, Angst, Wut, Scham aber auch Schuldgefühle. Jürgen Margraf, Humboldt-Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ruhr-Universität Bochum, hält jedoch fest, dass nicht jeder Beteiligte derart darauf reagieren müsse: „Im Allgemeinen sind wir Menschen ziemlich stabil und können auch schlimme Erfahrungen wegstecken.“
Insbesondere die Berufsgruppe der Journalisten könnten in ihrem Unterbewusstsein Angst und Unsicherheit entwickeln, die als Folge der Ereignisse in Paris zu deuten seien. Demnach könnten sie sich laut Roberto Rojas, klinischer Psychologe und Leiter der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz der Universität Ulm, stets vorstellen, ob sie wirklich Stellung beziehen möchten oder es nicht besser sein lassen sollten: „Wenn Journalisten durch den Anschlag unsicher werden, dann ist das leider sehr im Sinne der Terroristen.“ Im Gegensatz dazu sieht Günter Krampen dieses Problem nicht, da er der Meinung ist, dass Journalisten bereits ein „hohes berufliches Involvement“ haben. Vielmehr solidarisieren sie sich mit den attackierten Journalisten und beziehen Stellung. Dieser Stellungnahme steht die Psychoanalytikerin, Psychologin und Verhaltenstherapeutin Eva Jaeggi jedoch eher skeptisch gegenüber. Die Kampagne „Je suis Charlie“ sei ihrer Meinung nach mehr „populistisch“ gemeint von Leuten, die nicht selbst von diesem Anschlag betroffen sind. Es könnte laut Jaeggi die Gefahr bestehen, dass sich Journalisten in eine moralische Zwickmühle begeben, in der sie sich zwischen Meinungsfreiheit oder ihrer eigenen Sicherheit entscheiden müssen.
Gigerenzer und Jaeggi befürchten, dass die Angst vor weiteren Attentaten gebündelt und Vorurteile gegenüber Muslime verstärkt werden. Dementgegen geht aber Krampen davon aus, dass die Einstellung gegenüber dem Islam auch weiterhin von der politischen Einstellung jedes einzelnen abhänge. Vielleicht führt die Zuspitzung des Konflikts ja dazu, dass sich unsere christlich geprägte westliche Welt mit dem Islam auseinandersetzt und Missverständnisse beseitigt werden können.