26.04.2023

Andere Zeiten, andere Krankheiten Petra Meibert, therapeutische Leitung der Oberberg Tagesklinik Essen, zur „Handykrankheit“ Nomophobie

Essen, 26. April 2023. Das Smartphone ist für viele Menschen ein unverzichtbarer Alltagsbegleiter. Dabei hat es nicht nur Einfluss auf das gesellschaftliche Leben und die Art der Kommunikation, sondern kann unter Umständen auch neue Krankheiten hervorrufen – sowohl körperliche wie den „Handy-Nacken“ oder den „WhatsApp-Daumen“, als auch psychische wie die Handysucht oder die sogenannte Nomophobie. Letztere ist abgeleitet von „no mobile phone phobia“, also der Angst, ohne Handy und damit nicht erreichbar zu sein. Petra Meibert, Diplom-Psychologin und therapeutische Leitung der Oberberg Tagesklinik Essen, klärt über diese Form der Angst auf.

Smartphone ist das moderne Schweizer Taschenmesser

Das Smartphone erfüllt neben dem ursprünglichen Zweck der Kommunikation unzählige Funktionen – von Portemonnaie über Navigationsgerät bis hin zum Schlüssel. Dementsprechend ist es für viele Menschen unverzichtbar und undenkbar, ohne den digitalen Alltagsmanager unterwegs zu sein. „Menschen, die unter einer Nomophobie leiden, reagieren mit Angstsymptomen, wenn sie das Smartphone vergessen haben oder es aufgrund eines leeren Akkus oder eines Funklochs nicht nutzen können. Sie werden nervös, unruhig, haben einen erhöhten Herzschlag oder schwitzen“, erklärt Petra Meibert. „Nomophobie ist nicht als eigenständige Krankheit anerkannt. Studien zeigen aber, dass diese Form der Angsterkrankung unter Smartphone-Nutzern verbreitet ist“, so die Expertin weiter. Fast die Hälfte der 807 freiwilligen Probanden (49,4 Prozent) einer aktuellen Studie[1] wiesen ein mittleres Maß an Nomophobie auf, 4,1 Prozent der Befragten sogar eine schwere Nomophobie. Die StudienteilnehmerInnen waren im Durchschnitt 25 Jahre alt.

Behandlung von Nomophobie

„Leidet man sehr unter einer Trennung vom Handy und reagiert mit übersteigerter Angst oder sogar Panik, sollte man sich professionelle Hilfe suchen“, erklärt Petra Meibert. Bei der Behandlung von Nomophobie setzt man, wie bei anderen Angsterkrankungen auch, auf die Expositionstherapie, eine Behandlungsmethode der Verhaltenstherapie. Dabei konfrontiert man sich bewusst mit der angstauslösenden Situation, begleitet durch eine Therapeutin oder einen Therapeuten. Menschen mit Nomophobie sollen bewusst erleben, wie es ist, ohne Handy unterwegs zu sein, um zu merken, dass die als unkontrollierbar empfundene Angst nachlässt, wenn man in der Situation verbleibt und sich ihr nicht entzieht. Der Körper kann das Stresslevel, das die Angstsymptome auslösen, nur sehr kurzfristig auf einem hohen Niveau halten. Durchlebt man die Situation immer wieder und wartet man ab, bis die Angst von allein abflacht, setzt allmählich ein Gewöhnungseffekt ein.

Neben der Verhaltenstherapie setzt die Oberberg Tagesklinik Essen bei der Behandlung auf achtsamkeitsbasierte Interventionen. Das sind Bestandteile der sogenannten dritten Welle der Verhaltenstherapie, zu der auch MBSR (Mindfulness-based Stress Reduction), Compassion Focused Therapy (CFT) und MBCT (Mindfulness-based Cognitive Therapy) gehören.

Bei diesen Ansätzen geht es u.a. darum, zu lernen, wie man unangenehme Gefühle und Gedanken regulieren kann, ohne sie zu vermeiden, gegen sie anzukämpfen oder von ihnen überwältigt zu werden. Eine freundlich interessierte Haltung den eigenen Erfahrungen gegenüber wird gestärkt. Eine solche wohlwollende Einstellung sich selbst gegenüber ist wiederum ein wichtiger Wirkfaktor in der Psychotherapie.

Mehr zum Thema Nomophobie:

https://www.oberbergkliniken.de/krankheitsbilder/nomophobie

Mehr über die Oberberg Tagesklinik Essen:
https://www.oberbergkliniken.de/standorte/tagesklinik-essen

Über die Oberberg Gruppe: Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit einer Vielzahl an Fach- und Tageskliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an verschiedenen Standorten Deutschlands. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg City Centers, korrespondierenden TherapeutInnen und Selbsthilfegruppen.

 

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[1] PFH Private Hochschule Göttingen, https://idw-online.de/de/news808643

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