Fachklinik Rhein-Jura

Stressbedingte psychische Störungen frühzeitig behandeln: das Frühinterventionsprogramm der Rhein-Jura Klinik

In der Fortbildungsreihe "Hochrhein Kolloquien für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik" der Rhein-Jura Klinik stellen namhafte Referenten regelmäßig aktuelle Ansätze der Therapie psychischer und psychosomatischer Störungen vor. Fachärzte, Hausärzte und Psychotherapeuten erhalten die Möglichkeit, in unterschiedlichen Bereichen neue Erfahrungen zu sammeln. Das Thema der letzten drei Termine war auch dieses Mal ein spannendes: alles drehte sich um die frühzeitige Erkennung von stressbedingten Erkrankungen und das Frühinterventionsprogramm der Rhein-Jura Klinik.

Deutschlands Volkskrankheit Nr. 1 ist stressbedingte Depression. Krankschreibungen aufgrund psychischer Störungen und daraus resultierende betriebliche Fehltage haben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Zwischen den Jahren 1997 bis 2013 nahmen die AU-Tage (Arbeitsunfähigkeit) pro 100 Versichertenjahre laut DAK-Gesundheit aufgrund psychischer Erkrankungen um das Dreifache zu. Trotzdem werden psychische Erkrankungen und besonders Depression nur selten erkannt und behandelt. Die meisten Betroffenen suchen keinen Facharzt oder Psychotherapeuten auf, sondern begeben sich in hausärztliche Behandlung. Dort klagen sie über körperliche Symptome und nur in der Hälfte der Fälle erkennt der Hausarzt die zugrunde liegende Depression – wenn er sie erkennt, kommt es nur in der Minderzahl der Fälle zu einer adäquaten Therapie. Ursache dafür ist oft auch die Angst der Betroffenen vor Psychopharmaka oder Psychotherapie, vor frühzeitigen Therapieabbrüchen, unterdosierten Medikationen oder ungeeigneten Präparaten. Dabei bestehen gute Heilungschancen bei frühzeitiger Behandlung. Nimmt der Betroffene Frühwarnzeichen nicht ernst und ändert nicht seine dauernde Überforderung in Beruf und Privatleben, besteht die Gefahr einer Chronifizierung. Die Belastungsfaktoren für eine Überforderung sind unterschiedlich und differenziert, lassen sich aber in diese drei Gruppen unterteilen.

Strukturelle Belastungsfaktoren

  • quantitative und qualitative Arbeitsüberlastung
  • betriebliche Umstrukturierungen, Arbeitsplatzunsicherheit, Personalabbau
  • Einschränkungen von Entscheidungs- und Handlungsspielräumen, z.  zunehmende Kontrolle durch Benchmarking
  • wachsende psychische Anforderungen am Arbeitsplatz, z.  hohe Informationsmenge, häufige Unterbrechungen, wachsende Anforderungen an soziale Kompetenzen
  • Entgrenzung der Arbeit (z.  Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Wochenend- und Schichtarbeit, mangelnde Abgrenzung zum Privatleben)
  • hoher Anteil ausbildungsfremder Tätigkeiten
  • hohe emotionale Anforderungen im Beruf, z.  in Sozialberufen
  • Rollenunklarheit, Rollenkonflikte, z.  im Lehrerberuf

Interaktionelle Belastungsfaktoren

  • mangelnde Wertschätzung durch Vorgesetzte, Kollegen oder in Sozialberufen der betreuten Personen, mangelnde gesellschaftliche Wertschätzung
  • sozialer Stress am Arbeitsplatz, z.  Mobbing
  • Mangel oder Wegfall sozialer Unterstützung, z.  durch hohe Fluktuation
  • überhöhter Leistungsanspruch an Quantität und Qualität der eigenen Arbeit
  • hohe Verausgabungsbereitschaft, Neigung zur Selbstüberforderung („overcommitment“)
  • Selbstwertprobleme, hohe Kränkbarkeit
  • soziale Fertigkeitsdefizite, z.  fehlende Fähigkeit, sich abzugrenzen
  • geringe Fertigkeiten des Selbstmanagements, geringes Selbstwirksamkeitserleben, erlernte Hilflosigkeit
  • mangelnde Konfliktfähigkeit
  • Mehrfachbelastungen, z.  familiäre Belastungen, Pflege von Angehörigen
  • ungünstiges Gesundheitsverhalten, somatische Vorerkrankungen

Individuelle Belastungsfaktoren

  • Perfektionistische Arbeitseinstellung
  • Idealistische Haltung mit hohen, unerreichbaren Zielen (Scheiterstrategien)
  • Nicht-Nein-Sagen-Könner: oft durch Selbstunsicherheit und Unkenntnis eigener Bedürfnisse
  • Helfer-Typ: „Wer bin ich ohne die bedürftigen Anderen?“

Werden die ersten Stresssymptome nicht wahrgenommen und dem Körper nicht ausreichend Ruhephasen gegönnt, kann das zum Burnout, zu Depression, zu anderen psychischen oder körperlichen Erkrankungen und schließlich zur Chronifizierung führen. Doch wie erkennt man die Frühwarnzeichen einer stressbedingten psychischen Erkrankung?

Folgende Symptome gelten als mögliche Warnzeichen:

  • verminderte Energie, Dinge anzugehen
  • gedrückte, traurige oder reizbare Stimmung
  • rasch ermüdbar, alles fällt schwer
  • Konzentrationsschwierigkeiten, langsames Arbeitstempo, Vergesslichkeit
  • Verlust an Interessen, Aufgeben von Dingen, die sonst Freude gemacht haben
  • Aktivität werden nur auf das Nötigste beschränkt, Interessen neben der Arbeit vernachlässigt
  • Häufige Fehlzeiten auf der Arbeit
  • Gleichgültigkeit, keine Freude mehr empfinden können
  • vermehrtes Grübeln, Sorgen, kaum Selbstbewusstsein
  • Schlafstörungen
  • körperliche Symptome (Kopfschmerzen, Bauschmerzen,  Schwäche, …)

Ist die Diagnose Depression gestellt, fällt vielen Betroffenen die Entscheidung über eine stationäre oder ambulante Behandlung nicht leicht. Im Endeffekt hängt das von der Ausprägung der Erkrankung ab und wird nach einem ausführlichen Patientengespräch festgelegt. Bei schweren und chronischen Verläufen raten die Experten meist zu einer stationären Therapie. Die tägliche Anreise in eine Tagesklinik stellt für Patienten mit Depression und Antriebsschwäche eine erhebliche Hürde dar. In einer Klinik können die Patienten Abstand von ihrem Alltag gewinnen, in Ruhe wieder Kraft finden und sich ihren Erkrankungen stellen.

Depression rechtzeitig behandeln: das Frühinterventionsprogramm der Rhein-Jura Klinik

Um Betroffenen eine frühzeitige stationäre Behandlung zu ermöglichen, entwickelte die Rhein-Jura Klinik in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Beirat, Dr. Prof. Martin Bohus vom Zentralinstitut seelische Gesundheit Mannheim, das Frühinterventionsprogramm. Das Angebot richtet sich an Menschen, die noch keine psychischen Störungen entwickelt haben. In einem 5-wöchigen Basis-Aufenthalt werden die Patienten mit verschiedenen Konzepten behandelt. Therapeuten und Ärzte erarbeiten gemeinsam mit den Betroffenen Einstellungs-, Verhaltens- und Lebensstiländerungen, die später im Alltag umgesetzt werden.

Zu den Behandlungsmodulen zählen:

  • ärztliche Aufnahme
  • intensive psychiatrisch-psychotherapeutische Diagnostik durch erfahrene Spezialisten
  • psychologische Anamnese
  • 3 x wöchentlich psychotherapeutische Einzeltermine
  • 2 x wöchentlich strukturierte, themenbezogene Gruppentermine zur Stressbewältigung und Selbstfürsorge sowie Problemlöse- und Kommunikationstraining
  • Sport- und Leistungsdiagnostik
  • tägliches Nordic-Walking
  • Sport- und Bewegungsgruppen
  • tägliche Achtsamkeitsübungen
  • tägliche Entspannungsübungen
  • feste individuelle Übungszeiten

Die Rhein-Jura Klinik ist spezialisiert auf die multimodale Behandlung phasischer und chronischer, aber auch stressbedingter Depression. Die Psychotherapie besitzt wegen der Bearbeitung der auslösenden Probleme und zum Übertragen der Behandlungsergebnisse in den Alltag einen besonderen Stellenwert.