Neurasthenie - schon vor Burnout gab es das Burnout-Syndrom
Im Jahr 1974 beschrieb der amerikanische Psychologe Herbert Freudenberger erstmalig das Burnout-Syndrom. In den letzten rund 40 Jahren nach seiner Erstbenennung hat sich Burnout zu einer sehr häufig gestellten Diagnose entwickelt. Damit stellt das Burnout-Syndrom eines der wenigen psychischen Krankheitsbilder dar, für die es eine gesellschaftliche Akzeptanz gibt. Charakteristisch für diese Erkrankung sind emotionale Erschöpfungszustände und ein Gefühl der inneren Leere. Ganz so neu ist das allerdings alles nicht. Denn bereits im 19. Jahrhundert wurden Krankheitsbilder mit äußerst ähnlicher Erscheinungsform diagnostiziert. Bekannt war und ist diese Krankheit unter dem Namen Neurasthenie. Im Zentrum der Diagnose stand dabei das Leitsymptom der reizbaren Schwäche.
Hintergrund Die Historie von Neurasthenie im Wandel der Zeit
Wer genau zum ersten Mal diese Art der psychischen Erkrankung namentlich und inhaltlich benannte, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt. Offiziell gilt zwar der New Yorker Neurologe George Beard als Begründer und Namensgeber der Neurasthenie, aber einige Wissenschaftler und Forscher schreiben dagegen dem ebenfalls aus den USA stammenden, vergleichsweise unbekannten Psychiater Van Deusen diese Tat zu. Fakt ist jedenfalls: Der Name bzw. der Begriff Neurasthenie kam erstmals im Jahr 1869 auf.
Innerhalb von rund 30 Jahren nach der Erstnennung etablierte sich der Begriff in ganz Europa und Amerika. Jahr für Jahr diagnostizierten die behandelnden Ärzte immer öfters Neurasthenie. Psychische Erkrankungen und der Begriff Neurasthenie an sich wurden nahezu zu einer Modeerscheinung. Psychiater und Neurologe Oswald Bumke schrieb dann auch 1925 in der "Münchener Medizinische Wochenschrift" passend dazu, dass bislang keine andere Bezeichnung in der gesamten Geschichte der Medizin derart große Auswirkungen nach sich gezogen hatte.
Die Diagnosen betrafen anfangs vor allem die wirtschaftsstärkere Mittelschicht
Die Aufmerksamkeit, die der neuen Erkrankungsform zu dieser Zeit entgegengebracht wurde, spiegelte sich nicht zuletzt auch in den Medien und der Literatur wider. So erschienen zwischen 1870 und 1900 mehrere hundert Artikel und Schriften zu diesem Thema, die sowohl in Fachzeitschriften als beispielsweise auch in Lehrbüchern publiziert wurden. Zudem widmeten sich übermäßig viele Kliniken und Ärzte der Pflege neurasthenischer Patienten. Das lag allerdings nicht alleine an dem großen Interesse, das die Mediziner dieser neuen Krankheitsform entgegenbrachten, sondern hatte sehr häufig auch rein wirtschaftliche Hintergründe. Denn die gestellten Diagnosen betrafen vor allem die wirtschaftlich erfolgreiche Mittelschicht. Mit entsprechenden Behandlungen konnten hier erhebliche Summen verdient werden.
Darum verlor die Neurasthenie Anfang des 20. Jahrhunderts wieder an Bedeutung
Die große Aufmerksamkeit und auch die Zahl an Diagnosen nahm Anfang des 20. Jahrhunderts dann abrupt wieder ab. Dass das große Interesse im Hinblick auf dieses immer noch vergleichsweise neue Krankheitsbild deutlich abflachte, hatte dabei in erster Linie folgende Gründe:
1. Die neu aufgekommene Neurophysiologie stellte die pathologische Grundlage der Neurasthenie infrage.
2. Es konnte weniger Geld mit den Behandlungen verdient werden, da das Krankheitsbild jetzt quer durch alle sozialen Schichten diagnostiziert wurde.
3. Ärzte und vor allem Neurologen räumten jetzt den psychischen Faktoren einen immer höheren Stellenwert ein, wodurch sich das fachspezifische Interesse verstärkt in Richtung Psychiatrie verschob.
4. Die bisher angewendeten Behandlungsmethoden gerieten in die Kritik und änderten sich. Beispiel Rastkur: Zuvor als viel gepriesene Behandlungsmethode genutzt, setzte sich auf einmal die Meinung durch, dass das auf erzwungener Ruhe basierende Behandlungskonzept keine Heilung bringt. Es erschienen sogar Artikel, in denen die Rastkur selbst als möglicher Auslöser für die Neurasthenie diskutiert wurde.
5. Neue psychiatrische Klassifikationen von Angst und Depressionen entstanden, wodurch der Begriff Neurasthenie in einem hohen Maße an Glaubwürdigkeit einbüßte.
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Die chinesische Medizin integriert und adaptiert das Krankheitsbild
In den USA geriet die Erkrankung und die zugehörigen Behandlungsmethoden am stärksten in die Kritik. Wenn man bedenkt, dass die USA in Bezug auf die Begriffsbestimmung das eigentliche Geburtsland der Neurasthenie darstellt, entbehrt dies nicht einer gewissen Ironie. Vor allem da mit der Kritik und der vehement nachlassenden Aufmerksamkeit in den USA gleichzeitig die Bedeutung der Krankheit in Südasien und China stetig an Bedeutung gewann. Auch in der früheren Sowjetunion hatte die Neurasthenie jahrzehntelang einen festen Platz in der Medizin.
Den steilsten Anstieg an Aufmerksamkeit und Bedeutung durchliefen der Begriff, die Diagnose und die Behandlungsmethoden in China. Die Krankheit gelangte etwa in den 1920er Jahren in das Bewusstsein der chinesischen Mediziner. Aufzeichnungen und Berichte aus der damaligen Zeit lassen darauf schließen, dass die stetige mediale Berichterstattung in den USA über das Thema Neurasthenie als entscheidende Inspirationsquelle diente.
Größter Bekanntheitsgrad in den 1950er und 1960er Jahren
Schnell etablierte sich in chinesischen Medizinerkreisen der Name "shenjing shuairuo" (auf Deutsch: Nervenschwäche) als länderspezifische Bezeichnung für Neurasthenie. Das Interesse und damit auch der Stellenwert der Krankheit stieg dann noch einmal deutlich an, nachdem chinesische Ärzte eine mögliche Vereinbarung von Krankheitsbild und Behandlungsmethoden mit der traditionellen chinesischen Medizin in Betracht gezogen hatten.
Unter dem kommunistischen Regime erreichte die ganze Thematik in den 50er und 60er Jahren den Höhepunkt des Bekanntheitsgrades. Zu dieser Zeit stellte die Neurasthenie die wahrscheinlich von der Gesellschaft akzeptierteste Möglichkeit dar, psychischen Beschwerden im Rahmen von somatoformen Störungen (funktionelle körperliche Störungen) Ausdruck zu verleihen. Aber schon kurze Zeit später verschwand der Name in China, den USA und Europa erst einmal aus dem Bewusstsein und neue Formen der psychischen Krankheiten rückten in den Fokus.
Abgrenzung der Neurasthenie vom Burnout-Syndrom
Die Neurasthenie heute inhaltlich exakt zu definieren, ist allerdings sehr schwierig. Dies liegt an der thematisch-inhaltlichen Nähe und den Überschneidungen mit dem Erschöpfungssyndrom bzw. dem Ermüdungssyndrom und dem Burnout-Syndrom. Auch wenn die Neurasthenie nach ICD 10 als ein eigenständiges Krankheitsbild in die Kategorie "Andere neurotische Störungen" eingeordnet wird, ist eine klare Abgrenzung hier kaum möglich.
Zum einen liegt das an der Tatsache, dass entsprechende Erkrankungen kaum noch unter dem Etikett der Neurasthenie diagnostiziert werden. Stattdessen bezieht sich die Diagnose bis auf wenige Ausnahmen heute stets auf das Burnout-Syndrom. Grund hierfür: Die Symptomatik beider Erkrankungsformen ist weitgehend identisch, aber nur das Burnout-Syndrom hat einen fest verankerten Platz in der modernen Medizin.
Zum anderen spielt hierbei auch die gesellschaftliche Akzeptanz eine große Rolle. Während der Begriff Burnout im Zusammenhang mit einer Leistungsgesellschaft auch gleichzeitig immer eine gewisse Anerkennung (der Arbeitsleistung etc.) impliziert, sind neurasthenische Erkrankungen vom Verständnis her mit weitaus mehr Scham behaftet. Daher werden letztere auch nur sehr selten diagnostiziert.
Deutliche Überschneidungen zwischen Burnout- und Neurasthenie-Symptomen
Werden die einzelnen Symptome einer genaueren Betrachtung unterzogen, zeigen sich bereits auf den ersten Blick deutliche Überschneidungen zwischen den beiden Krankheitsbildern bzw. zwischen den jeweiligen Symptomen. Dies betrifft sowohl die kognitive und körperliche als auch die emotionale Ebene. In erster Linie geht es dabei um diese Krankheitssymptome:
- Schwächegefühl
- chronische Müdigkeit
- Schlafstörungen
- Energiemangel
- Konzentrationsmangel und Vergesslichkeit
- emotionale Erschöpfung (Gefühl innerer Leere, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit etc.)
- Grübelneigung
- geschwächte Abwehrkräfte
- psychosomatische Symptome (Magen-Darm-Beschwerden, sexuelle Störungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Herz-Kreislauf-Störungen etc.)
- häufige Infekte
- Verlust der Empathie
- Interessenverlust und sozialer Rückzug
- Reizbarkeit und Aggressivität
- Abbau kognitiver Leistungsfähigkeit
- negative Grundeinstellung
Die Therapieansätze rangieren zwischen Altbewährtem und neuen Ideen
Auch im Hinblick auf die jeweiligen Therapieansätze weist die Burnout-Behandlung ähnliche Ansatzpunkte auf, die auch schon im 19. Jahrhundert bei der Behandlung von neurasthenischen Erkrankungen im Mittelpunkt standen. Diese Therapieansätze greifen zum Beispiel im Segment der realen äußeren Arbeitsbedingungen.
Dies können thematisch zum Beispiel die Arbeitsaufgabe, die Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsaufgabe, Führungsstile oder die Pausenkultur sein. Auch die Regenerationsbereiche werden im Rahmen der entsprechenden Behandlungsansätze einbezogen. Mögliche Maßnahmen in diesem Bereich sind beispielsweise Entspannungsmethoden und -verfahren, Ausgleichsmaßnahmen zum Stressabbau oder die Förderung der eigenen Ressourcen.
Den Schwerpunkt vieler Therapieansätze bildet dagegen der mentale Bereich. Im Fokus stehen diesbezüglich vor allem Ansätze, die den Umgang mit Stressoren, die Identifikation von inneren Stressverstärkern und die Bewertung von Leistungsanforderungen betreffen. Zudem werden hierbei häufig auch verschiedene emotionale Komponenten hinsichtlich der Therapieansätze berücksichtigt.
Ursachen Auf welchen Ursachen basiert die Neurasthenie?
Rein auf den ICD F48 bezogen, weist die Krankheit begrifflich auf die Schwäche der Nerven hin. In der Praxis gelten demgegenüber vielmehr äußere Einflüsse und Ursachen als krankheitsauslösende Faktoren. Dies deckt sich im Grunde genommen mit der begrifflichen (Teil-)Bedeutung des Burnout-Syndroms sowie auch des Boreout-Syndroms (Langeweile und Unterforderung im Job etc.).
Die Symptome treten dabei meistens als Folge einer längeren Episode von Stresssituationen, geistiger Anspannung, schweren Krankheiten oder auch langwierigen Krankheitsverläufen auf. Häufig wird die Neurasthenieerkrankung dann auch bei beruflich dauerhaft unter Druck stehenden Menschen oder zum Beispiel bei Patienten in Reha-Maßnahmen diagnostiziert.
Der ertragbare Leistungsdruck ist individuell unterschiedlich ausgeprägt
Im beruflichen Kontext stellt diesbezüglich ein permanent hoher Arbeits- und Leistungsdruck ein typisches Beispiel dar. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die äußeren Faktoren immer auch für individuelle bzw. verschiedene Auswirkungen sorgen können. Der ertragbare Leistungsdruck ist von Individuum zu Individuum unterschiedlich ausgeprägt.
Es existiert bislang kein wirklich objektiver Maßstab, ab wann der Leistungsdruck ein Individuum ernsthaft gefährdet. Es kommt immer auf die jeweilige individuelle Beschaffenheit an. Zudem hängen die Auswirkungen und Belastbarkeitsgrenzen eng mit der persönlichen Fähigkeit zur Stressbewältigung zusammen.
Auch die persönlichen Eigenschaften fungieren als auslösende Multiplikatoren
Als Multiplikator für den Ausbruch sowohl von Neurasthenieerkrankungen als auch von Burnout identifizierte die Forschung und Wissenschaft zudem besonders ausgeprägte persönliche Eigenschaften. Dazu zählen in erster Linie Eigenschaften bestimmter Menschen, wie zum Beispiel Perfektionismus, Ehrgeiz, Perfektionismus, das so bezeichnete Helfersyndrom, die Angst vor Verantwortung sowie die Unfähigkeit, auch einmal "Nein" sagen zu können.
Aber auch dies kann nicht einfach pauschalisiert werden. Denn zum Beispiel ein normal ausgeprägter Ehrgeiz ist nicht sofort auch ein Auslöser für die Krankheit. Es lässt sich allerdings hinsichtlich der aufgezählten Charakteristika ableiten, dass diese immer dann in einem zu hohen Maße ausgeprägt sind, wenn die betroffenen Personen ihre eigenen Ansprüche nicht mehr erfüllen können. Das geht oftmals einher mit dem Gefühl, ausgebrannt zu sein.
Knackpunkt Unrealistische Zielsetzungen und überhöhte Ansprüche an sich selbst
Der Kernpunkt für die gesundheitliche Gefährdung fokussiert sich sehr häufig die Diskrepanz zwischen den eigenen und selbstauferlegten Ansprüchen und dem letztendlichen Nicht-Gerechtwerden dieser Anforderungen. Ein typisches Verhaltensmuster ist es in solchen Fällen, dass sich die Betroffenen viel zu hohe oder sogar komplett unrealistische Ziele setzen und Ansprüchen hinterherlaufen, die nicht erfüllt werden können. Dadurch geraten sie in einen regelrechten Teufelskreis.
Hinzu kommt: Je höher, umfassender und unrealistischer die jeweiligen Ansprüche und Anforderungen sind, desto mehr Leistungs- und Mentalkraft setzen Betroffene ein. Dadurch wird die Fallhöhe immer weiter nach oben getrieben. Werden die eigenen Ziele dann trotz erheblicher Anstrengungen nicht erreicht, folgen Frustration und Enttäuschung. Diese Wechselwirkungen von völlig überhöhten Zielen und Anstrengungen bis zur völligen Erschöpfung führen dann schließlich zu einem psychisch kranken Menschen.
Symptome lassen sich nicht pauschalisieren - sie variieren individuell
Diese psychische Krankheit äußert sich dann im Rahmen der Neurasthenie in Form von verschiedenen Symptomen. Als Hauptsymptom haben die Medizinerinnen und Ärztinnen die Erschöpfung und eine rasch oder besonders häufig auftretende Ermüdung ausgemacht. Das Fatale daran: Zustände dieser Art treten bereits bei absolut geringem körperlichen oder geistigen Aufwand ein. Im Endeffekt führt das dann zu einer dauerhaft mangelnden Leistungsfähigkeit im körperlichen sowie im geistigen Bereich.
In vielen Fällen gesellt sich zu diesen Hauptsymptomen auch noch eine innere Unruhe oder ein "ausgebranntes" Gefühl. Diese Symptome können sowohl wiederholt temporär als auch in chronischer Form auftreten. Daneben gibt es zusätzlich noch ein eminent breites Spektrum an möglichen Symptomen unterschiedlichster Art. Besonders häufig treten dabei diese gesundheitlichen Probleme auf:
- Ängstlichkeit bis hin zu Panikattacken
- Kopfschmerzen und Schwindelattacken
- Verspannungen und Muskelschmerzen
- sexuelle Unlust (sexuelle Neurasthenie)
- Neuralgie (Schmerzen im Versorgungsgebiet von Nerven)
- erhöhte Reizbarkeit bis hin zur Aggressivität
- Konzentrationsstörungen
- melancholische Stimmung
- depressiven Verstimmungen, schlimmstenfalls bis hin zur Suizidalität
- Schlaflosigkeit und allgemeine Schlafprobleme
- Hypersomnie (Schlafsucht)
Die Symptomatik variiert individuell dabei nicht nur, sondern weist auch gesellschaftlich geprägte Besonderheiten und kulturelle Unterschiede auf. Auch das Zusammenspiel mit anderen Störungen oder Krankheiten können die Symptomatik beeinflussen. Liegt zum Beispiel von vorneherein eine depressive Verstimmung vor, kommt es laut verschiedener Studienergebnissen vor allem verstärkt zur Freud- und Antriebslosigkeit, Melancholie, einer generellen Lustlosigkeit und der sexuellen Neurasthenie.
Die Erkrankung kann unterschiedliche Verläufe nehmen
In der Mehrheit der Fälle bildet sich die Neurasthenie eher schleichend heraus, wobei die Intensität langsam, aber stetig steigt. Als erste Anzeichen treten oftmals schon bei einem vergleichsweise geringem Arbeits- oder Leistungsaufwand eine rasche Erschöpfung und Ermüdung auf. Je nach Fall startet die Krankheit aber auch durch den Ausbruch von Nebensymptomen. Möglich sind gemäß entsprechender Erfahrungswerte auch Gliederschmerzen, Fieber und andere grippeähnliche Zustände.
Welche Symptome zu Beginn auftreten, wie schnell diese sich verschlimmern und welche Symptome im weiteren Krankheitsverlauf anfallen, ist dabei abhängig von der jeweiligen Situation der Betroffenen. Aus den bisherigen medizinischen Aufzeichnungen und Statistiken geht hervor, dass es besonders zügig zu einer Neurasthenie oder auch zu einem Burnout bei berufsbedingten und -situativen Problemen kommt. Eine allgemeine Erschöpfung, die einem übermäßigen Arbeitseinsatz und Arbeitseifer geschuldet ist, stellt hier meistens das Anfangsstadium dar.
Betroffene unterschätzen oftmals die gesundheitliche Gefährdung
Eine solche Erschöpfung kann dabei als ein eindeutiger Hinweis auf eine Überlastung interpretiert werden. Sobald eine rasche Erschöpfung schon bei kleinsten Belastungen eintritt und die Betroffenen nicht mehr zur Ruhe kommen, wird spätestens ein medizinisches Eingreifen notwendig. Das Problem dabei: Erkrankte schätzen in dieser Phase ihre Situation und die Symptome nicht richtig ein und unterschätzen die gesundheitliche Gefährdung.
Diese Fehleinschätzung hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass sich der Leidensdruck der Betroffenen in der Anfangsphase noch in Grenzen hält. Die zweite Phase verschärft die Situation dann noch einmal. Typischerweise entwickeln Betroffene in diesem Stadium beispielsweise völlige Gleichgültigkeit hinsichtlich der Arbeit oder auch anderen Aufgaben gegenüber. Zudem neigen die Erkrankten zu Zynismus und einem aggressiven Verhalten.
Hinweis auf Neurasthenie Häufige Krankschreibungen bei körperlichen Beschwerden
Hierbei fällt auf, dass bereits lange krankgeschriebene Personen sehr anfällig für diese Form der psychischen Erkrankungen sind. Eine hohe Anzahl an Krankschreibung deutet in der Regel auf langwierige körperliche Beschwerden hin. Die Betroffenen selbst bringen ihre körperlichen Beschwerden aber nur selten in einen Zusammenhang mit psychisch bedingten Schwierigkeiten. So rutschen sie vor allem auch psychisch und emotional immer weiter in eine permanent depressive Stimmungslage. Ohne es selbst zu registrieren, durchschreiten sie dann quasi unbemerkt die einzelnen Phasen des Krankheitsverlaufs.
Die gesundheitlichen Probleme nehmen immer weiter zu
Nach und nach kommen später noch Symptome bzw. Stimmungslagen wie Frust, Verdruss, eine ständige innere Unruhe und eine leichte Reizbarkeit hinzu. Auch ein allgemeines Desinteresse sowie sexuelle Unlust können auftreten. Bei vielen Betroffenen treten im weiteren Verlauf zudem kognitive Leistungseinbußen auf. Das äußert sich beispielsweise in Konzentrationsproblemen und Schwierigkeiten im Hinblick auf die eigene Entscheidungsfindung.
Selbst das Denken und in vielen Fällen sogar das situative Wahrnehmen können in Mitleidenschaft gezogen werden. Erreichen Betroffene dieses Stadium und befinden sich nicht in ärztlicher Behandlungen, führt dies häufig zur Flucht in Medikamente, Alkohol oder Drogen. Die Folge davon sind das Aufkommen oder die Verschlimmerung von depressiven Zuständen oder zum Beispiel auch das Abgleiten in die soziale Isolation.
Einzelnen Symptome können gemeinsam für weitere Komplikationen sorgen
Erreichen Betroffene dieses Stadium, verschwimmen die Grenzen von Krankheiten und Begriffe. Eigentlich leiden Neurasthenie-Betroffene leiden die Betroffenen in der Regel erst einmal grundsätzlich an einer chronischen Erschöpfung. Diese schränkt wiederum die eigene Lebensqualität mitunter massiv ein. Genau daraus ergeben sich in der Folge aber zusätzliche Komplikationen, die das Krankheitsbild deutlich verschlechtern.
Dies kann sich zum Beispiel in Form von Verwirrung bzw. Verwirrtheit, Konzentrationsmängeln oder auch Angstzuständen äußern. Symptome dieser Art mindern die Lebensqualität noch weiter. Das gilt auch für eine ständige sexuelle Unlust, eine erhöhte Reizbarkeit oder auch aggressiven Verhaltensweisen, was durchaus zusätzlich für Probleme in der Partnerschaft, im Freundes- und Bekanntenkreis oder im sonstigen Umfeld sorgen kann. Im weiteren Verlauf leiden viele Betroffene auch unter erhöhtem Puls oder Verdauungsbeschwerden. Muskelzuckungen kommen ebenfalls vor.
Die wichtigsten Parameter für eine sichere Diagnose
Da die unspezifische Symptomatik eine klare Zuordnung zu einer bestimmten Erkrankung nachhaltig verhindert, erschwert dies eine sichere Diagnose im Hinblick auf das Krankheitsbild. Es haben sich allerdings verschiedene Anzeichen und Verdachtsmomente herauskristallisiert. Als Hinweis auf eine neurasthenische Erkrankung deuten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte vor allem lang anhaltende Beschwerden.
Den Fixpunkt bildet dabei die Drei-Monatsmarke. Das bedeutet: Bestehen die gesundheitlichen Probleme länger als drei Monate und konnten zuvor sämtliche infrage kommenden organischen Ursachen ausgeschlossen werden, deutet dies stark auf eine Neurasthenie hin. Für eine genauere und auf die jeweiligen Krankheitsanzeichen fokussierte Diagnose führen die behandelnden Ärzte und Ärztinnen häufig zusätzlich verschiedene neurologische und internistischer Untersuchungen durch.
Gespräche und bestimmte Ausschlussverfahren zählen zum festen Diagnoseinstrumentarium
Einen hohen Stellenwert bei der Diagnose räumt die Medizin auch eingehenden Gesprächen mit den betroffenen Personen bzw. Patienten über die aufgetretenen Symptome, mögliche Vorerkrankungen, psychische Belastungen und die Lebenssituation an sich ein. Durch solche Gespräche erhalten die Ärztinnen weitere wichtige Informationen über das vorliegende Krankheits- bzw. Beschwerdebild. Das hilft ihnen dabei, mögliche Hinweise auf eine Neurasthenie dann auch tatsächlich richtig zu deuten. Beim Burnout-Syndrom und ähnlichen Erkrankungen zählen diese Gespräche ebenfalls zum festen Diagnoseinstrumentarium.
Medizinischen Statistiken zufolge leiden 20 bis 30 Prozent aller Neurasthenie-Betroffenen, die in den Arztpraxen oder Kliniken vorstellig werden, an gesundheitlichen Beschwerden, die sich in erster Linie körperlich äußern. Diese körperlichen Schmerzen basieren dabei auf seelischen Problemen (psychosomatische Störungen). Im Rahmen der Diagnose müssen zur Sicherheit echte Organkrankheiten ausgeschlossen werden. Gerade Erkrankungen wie eine Schilddrüsenüberfunktion weisen ähnliche Symptome wie eine neurasthenische Erkrankung auf.
Die moderne Fachsprache nutzt Synonyme für eine Neurasthenie
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig solche Ausschlussuntersuchungen in diesem Zusammenhang sind. Wird letztendlich tatsächlich eine Neurasthenie diagnostiziert, findet der Begriff im modernen Duktus allerdings oftmals keine Erwähnung. Denn die Diagnosen Nervosität, Nervenschwäche oder eben Neurasthenie sind heute aus der ärztlichen Fachsprache nahezu komplett verschwunden.
In einem modernen Kontext wird stattdessen vornehmlich von vegetativer Dysregulation, einem psychovegetativen Syndrom sowie vegetativer Dystonie gesprochen. Mit diesen Begriffen sollen die Fehlfunktionen und Beeinträchtigungen verschiedener Organe durch Störungen bzw. eine Unausgeglichenheit des vegetativen Nervensystems besser beschrieben werden. Dabei ist die tiefere Ursache in vielen Fällen im seelischen bzw. psychisch-mentalen Bereich zu finden.
Die Neurastheniebehandlung im Wandel der Zeit
Die Therapieansätze haben sich im Laufe der Zeit drastisch verändert. Noch in der Gründerzeit behandelte man die Neurasthenie zum Beispiel mittels Kurverfahren, die auf dem Brownianismus basierten. Im Mittelpunkt standen dabei rein äußerlich wirkende, vitalisierende Therapieverfahren und Anwendungen. Mögliche psychische Problematiken wurden nicht berücksichtigt. Sehr häufig kam diesbezüglich beispielsweise eine einfache Reizstromanwendung im Rahmen einer rein somatischen Behandlungsform zum Einsatz.
Die modernen Therapieansätze setzen auf Heilung und Prävention
Hier hat im Laufe der Zeit ein Umdenken eingesetzt. Heute bildet die Psychotherapie einen wesentlichen Bestandteil der Behandlung einer Neurasthenie. Mithilfe von Verhaltenstherapien sollen krankheitsfördernde Verhaltens- und Denkmuster identifiziert werden, um diese anschließend positiv zu verändern. Auch dem Erlernen von Entspannungstechniken kommt hier eine große Bedeutung im Hinblick auf den Umgang mit Stresssituationen zu.
Hierbei geht es auch darum, den Stressabbau auf eine gesunde Art zu betreiben. Ein weiteres Therapieziel ist die Erhöhung der Belastbarkeitsgrenze. Zudem zielen verschiedene Therapieformen auch auf Mechanismen zur grundsätzlichen Umstellung des Lebensstils ab. Bei leichteren Fällen verabreichen Ärztinnen häufig zusätzlich Beruhigungsmittel auf pflanzlicher Basis. Treten Angstsymptome und Depressionen auf, werden in der Regel begleitend Antidepressiva verordnet.
Die Oberberg Kliniken stehen für erfolgreiche Behandlungen und Therapien
Für eine erfolgreiche Neurastheniebehandlung müssen viele Kriterien berücksichtigt und individuell abgestimmte Therapiekonzepte realisiert werden. Eine Behandlung bei Oberberg basiert auf den genau dafür prädestinierten Bausteinen.
Die Fachärztinnen und Fachärzte verfolgen dabei stets einen Therapieansatz bzw. ein Behandlungskonzept, das biologische Therapieverfahren, bewährte und innovative Psychotherapien, Entspannungsverfahren, bewegungs- sowie kreativ-therapeutische Maßnahmen und weitere fallspezifische Behandlungsmethoden miteinander kombiniert. Das schafft die besten Voraussetzungen für die Heilung von Neurasthenie oder auch Krankheitsbildern, wie beispielsweise Burnout, Depression, Essstörungen, Psychosen oder Angststörungen.
Ein zusätzlich wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Therapie ist der Umgang mit den Betroffenen im stets vertrauensvollen Rahmen. Neben Behandlungskompetenz und -expertise stellen bei uns auch immer Vertrauen und Verlässlichkeit einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die angestrebte Heilung dar.
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