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Medikamentöse Behandlung von Covid-19: Wie Medikamente das Leben von Erkrankten retten können

In den letzten Wochen und Monaten blickte die ganze Welt gespannt auf die anlaufenden Impfungen gegen das neuartige Coronavirus. Staatliche Gelder in Milliardenhöhe wurden in die Erforschung und Entwicklung von Impfstoffen gesteckt und noch immer werden neue Impfstoffe getestet und zugelassen. Im Kampf gegen die globale Covid-19-Pandemie sind es jedoch nicht nur die Impfungen, sondern auch Medikamente zur Behandlung schon Erkrankter, die täglich Menschenleben retten. Gerade angesichts neuer Virusmutationen, an denen auch Geimpfte oder Genesene erkranken können, bleibt die erfolgreiche medikamentöse Behandlung der Erkrankung so wichtig wie zu Beginn der Pandemie.

Die Neuentwicklung und Zulassung von Medikamenten ist ein langwieriger Prozess. Deshalb wird daran geforscht, ob sich bereits zugelassene Medikamente als wirksam gegen Covid-19 erweisen. Dieses Verfahren wird „Repurposing“ genannt. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil nicht nur das Virus selbst medikamentös behandelt wird, sondern auch verschiedene Begleitsymptome und körperliche Folgen der Erkrankung. Ein schwerer Verlauf von Covid-19 erfolgt in verschiedenen Stadien, in denen unterschiedliche Bereiche des Körpers betroffen sind. Zu spezifischen Zeitpunkten des Verlaufs können dementsprechend passende Medikamente verabreicht werden, um die Erkrankung abzumildern.

An der Erforschung von Medikamenten zur Behandlung von Covid-19 arbeiten Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Seit Sommer letzten Jahres läuft das EU-finanzierte Projekt CARE (Corona Accelerated R&D in Europe) bei dem 37 internationale Institutionen daran arbeiten, Antikörper und andere Substanzen zu entwickeln, die gegen das neuartige Coronavirus wirken. Die medikamentöse Behandlung reicht von antiviralen Medikamenten gegen die Ausbreitung des Virus im Körper über Herz-Kreislauf-Medikamente und Immunmodulatoren bis zu spezifischen Medikamenten für Lungenkranke. Wir stellen Ihnen die aktuellen Forschungsergebnisse und Entwicklungen in der medikamentösen Versorgung von Covid-19-Patienten vor.

Kampf gegen die Virusreplikation: Antivirale Therapie

Zu Beginn der Behandlung einer Covid-19-Erkrankung wird versucht, die Vermehrung der Viren im Körper des Betroffenen zu verlangsamen oder zu stoppen. Antivirale Medikamente, die eigentlich auf andere Erkrankungen zugeschnitten sind, werden dafür auf ihre Wirksamkeit gegen Covid-19-Viren überprüft.  Dabei handelt es sich um Medikamente, die zum Beispiel gegen Ebola, HIV, Hepatitis C, Grippe oder SARS-Viren entwickelt wurden.

Noch vor einigen Monaten war das Medikament Remdesivir der große Hoffnungsträger im Kampf gegen die Vermehrung der Viren im Körper von Erkrankten. Das Medikament, das für die Behandlung von Ebola-Erkrankten entwickelt wurde, kann auch die Virusreplikation von Covid-19-Viren in Zellen pausieren. Es wird intravenös verabreicht. Zwischenergebnisse der WHO-Solidarity-Studie, bei der in multinationaler Zusammenarbeit Wirkstoffe zur Behandlung von Covid-19 untersucht werden, zeigten aber, dass Remdesivir weder auf die Hospitalisierungsdauer noch auf die mittelfristige Sterblichkeit Einfluss nimmt. Die vorher berichteten Behandlungserfolge mit Remdesivir scheinen sich nur bei gleichzeitiger Behandlung mit anderen Medikamenten und in engmaschiger intensivstationärer Betreuung zu zeigen. Das Medikament wird in bestimmten Fällen ca. 5 Tage nach Symptombeginn eingesetzt. Es eignet sich jedoch nicht als Standardmedikation bei einer Covid-19-Erkrankung.

Neben Remdesivir wird an vielen weiteren antiviralen Mitteln geforscht. Ein vielversprechender Kandidat ist das Medikament Molnupiravir. Es könnte von Erkrankten selbst und ambulant als Pille eingenommen werden und die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs durch ein Verhindern der Virusausbreitung im Körper drastisch senken. Der Wirkmechanismus ist derselbe wie bei Remdesivir. Nach erfolgreichen Tierversuchen an Frettchen wird das Medikament, das in der Frühphase der Erkrankung verabreicht wird, nun ambulant und stationär an Covid-19-Patienten getestet.

Der Virusabwehr auf die Sprünge helfen: Passive Immunisierung

Um dem Körper von Infizierten im Kampf gegen das Virus zu unterstützen, werden Medikamente zur passiven Immunisierung untersucht. Dabei werden künstlich hergestellte Antikörper oder Antikörper aus dem Plasma von Menschen, die eine Erkrankung schon überstanden haben, verabreicht. Diese sollen dem Körper des Patienten bei der Abwehr des Virus helfen. Bekannt wurde dieses Vorgehen im Zuge der Behandlung des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump. Er erhielt das Mittel REGN-COV2, das sich aus zwei verschiedenen Antikörperarten zusammensetzt. Es eignet sich für die Behandlung von Covid-Erkrankten mit einem leichten oder mittelgradig schweren Verlauf, die jedoch besonders gefährdet sind, einen schweren Verlauf zu erleiden.

Auch das Mittel Bamlanivimab fällt in die Kategorie der passiven Immunisierung. Es hat in den USA eine Notzulassung erhalten und kann zur Behandlung von Covid-19 oder auch prophylaktisch eingesetzt werden. Das deutsche Gesundheitsministerium sicherte sich Anfang des Jahres 200.000 Dosen der Medikamente Bamlanivimab und REGN-COV2, die nun in ausgewählten Universitätskliniken verabreicht werden sollen. Tatsächlich werden diese Mittel in der Behandlung aber kaum angewendet.

Gerinnungshemmende Medikamente

Covid-19 greift nicht nur die Atemwege an. Vor allem Durchblutungsstörungen und überschießende Immunreaktionen treten bei schwereren Verläufen auf und müssen nicht selten stationär behandelt werden. Bei Covid-19-Patienten kommt es häufig zu einer erhöhten Gerinnung des Bluts und dementsprechend zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, Blutgerinnsel auszubilden. Um einen schweren Verlauf zu verhindern, werden gerinnungshemmende Medikamente, sogenannte Antikoagulantien, verabreicht. Hier wird in der Regel auf schon vorhandene Medikamente zurückgegriffen, die sich nicht spezifisch auf die Covid-19-Erkrankung beziehen.

Die Immunantwort regulieren: Antiinflammatorische Therapie

Eine weitere kritische Folge einer Covid-19-Infektion ist eine erhöhte Immunantwort zu einem späteren Zeitpunkt des Verlaufs. Das Immunsystem entwickelt eine erhöhte Alarmbereitschaft und kann eine gefährliche Entzündungsreaktion im Körper auslösen. Zu diesem Zeitpunkt, auf keinen Fall zu Beginn der Erkrankung, können Medikamente wie Dexamethason verabreicht werden, die die Immunantwort hemmen. Laut einer Studie konnte die Sterbewahrscheinlichkeit bei schweren Covid-19-Fällen damit gesenkt werden. Diese bereits vor Covid-19 entwickelte und zugelassene Medikament kann jedoch erhebliche Nebenwirkungen, wie eine gesteigerte Gerinnungsneigung des Bluts, haben.

Schutz für die Lunge

Die Lunge ist von einer Covid-19-Erkrankung häufig besonders stark betroffen. Ihre lebenswichtige Funktion ist es, den Gasaustausch zwischen Atemluft und Blut zu gewährleisten. Diese Funktion muss während des Krankheitsverlauf deshalb unbedingt aufrechterhalten werden. Ein Wirkstoff, der dabei helfen kann, ist Aviptadil. Der Wirkstoff hat eine antientzündliche Wirkung und kann vermutlich bestimmte Lungenzellen vor einem Virusbefall schützen. In einer Studie eines US-amerikanischen Pharmaunternehmens wurde nachgewiesen, dass sich Patienten bei intravenöser Verabreichung des Wirkstoffs schneller von Atemwegssymptomen erholten.

Die Behandlung von Covid-19-Patienten bleibt weiterhin eine Herausforderung. Trotz sehr guter intensivmedizinischer Versorgung in Deutschland sterben noch immer viele Menschen an der Erkrankung. Die Zulassung von neuen, wirksamen Medikamenten und der Gewinn an Expertise in der Behandlung lassen aber darauf hoffen, dass schwere Verläufe in Zukunft immer seltener auftreten werden.

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