Trauer und Trauerbewältigung: Wie Menschen Abschied nehmen und ab wann Trauer krankhaft wird
Trauer ist ein Gefühl, das jeder Mensch in seinem Leben erfährt - ein natürlicher und wichtiger Teil der menschlichen Natur. Die meisten Menschen lernen mit der Zeit, damit umzugehen. Für einige Betroffene sitzt der Schmerz jedoch so tief, dass sich ein Ausweg aus der Phase der Trauer schwierig gestaltet. Die Frage, wie lange eine „angemessene“ Trauerphase andauern soll, wird über viele Kulturen hinweg verschieden interpretiert. Es gibt indigene Gesellschaften, die den Verlust eines Menschen exakt vier Tage betrauern. Im Gegensatz dazu gibt es aber auch wie auf dem afrikanischen Kontinent Gesellschaften, die Witwen eine einjährige Trauerzeit in schwarzen Kleidern auferlegen. Es gibt in dieser Frage kein Richtig und kein Falsch.
Welche verschiedenen Phasen gibt es in der Trauerbewältigung? Wann macht Trauer krank? Welche Hilfe gibt es für Trauernde? Und wie können wir lernen, den Schmerz zu bewältigen?
Verschiedene Formen und Phasen von Trauer
So unterschiedlich die Dauer des Schmerzes nach einem Verlust ist, so verschieden ist auch die Art und Weise, wie Menschen trauern. Fakt ist, dass es nicht den einzig richtigen Umgang mit dem Thema Verlust gibt. Je nach der eigenen Vorgeschichte, dem Verhältnis zum Verstorbenen, der Art des Todes oder dem direkten kulturellen Umfeld kann sich die eigene Trauerbewältigung in verschiedenen Formen äußern. Studien belegen, dass es entgegen der allgemeinen Annahme keine direkte Korrelation zwischen persönlicher Bindung und der Trauerintensität oder der Dauer der Trauerphasen gibt. Ein enges Verhältnis zum Verstorbenen kann beispielsweise zu einer weniger intensiven Trauer und kürzeren erkennbare Phase der Trauer führen, etwa weil der Trauernde das Gefühl des Schmerzes verdrängt. Im Gegensatz dazu bedingt ein schwieriges zwischenmenschliches Verhältnis nicht notwendigerweise eine intensivere Trauer.
Generell lässt sich sagen, dass die Trauerbewältigung in wellenförmigen Phasen verläuft. Es ist ein Pendeln zwischen Kummer, Sehnsucht und Leere einerseits – den verlustbezogenen Prozessen – und Verdrängung, Ablenkung und Nach-vorn-Denken andererseits – den wiederherstellungsbezogenen Prozessen. Die Mehrheit der Menschen leidet für eine geraume Zeit sehr intensiv unter dem Verlust eines geliebten Menschen, sodass sich die Symptome mitunter mit denen einer Depression überschneiden. In der Regel erholen sich die Betroffenen aber vollständig, auch wenn es zu wiederkehrenden Rückschlägen kommen kann. Bei einer Minderheit der Betroffenen kann sich jedoch eine chronische Belastung entwickeln: Die Trauer der Betroffenen gestaltet sich als andauernd, und sie verspüren auch nach einem längeren Zeitraum keine Linderung des Schmerzes. In diesem Fall macht Trauer krank, ausgelöst durch psychische Überlastung oder Traumatisierung in Folge des Todes eines geliebten Menschen. Die Trauernden können auch etliche Zeit nach dem Tod nicht mit ihrem Verlust umgehen.
Wenn Trauer krank macht
Wenn ein Mensch seine Trauerreaktion nicht mehr kontrollieren kann und keinen Ausweg findet, zeigt er Symptome einer Depression: Lust- und Antriebslosigkeit, Anspannung und dauerhaft negativ konnotierte Gefühle.
Bei einer diagnostizierten Depression gilt der Mensch als krank. Als Trauernder hingegen findet er nach Ablauf einer gewissen Zeit in seinem Umfeld kaum mehr Akzeptanz für seine starken Schmerz. „Das gibt sich schon wieder“ oder „Die Zeit heilt alle Wunden“ sind die Ratschläge, die der Volksmund in diesem Fall für Trauernde bereithält. Es gibt Stimmen von hochrangigen Therapeuten (u. a. aus der Bundestherapeutenkammer), die besagen, dass „der Schmerz von Trauernden durchaus Monate oder über ein Jahr dauern kann und nicht als behandlungsbedürftig gelten sollte.“
Auf der anderen Seite nahm 2019 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die „anhaltende Trauerstörung“ als eigenständiges Krankheitsbild in das Verzeichnis anerkannter Krankheiten ICD-11 auf. Die Frage, ob eine Einstufung als Krankheit den Trauernden Vor- oder Nachteile bringt, spaltet Fachkräfte in Deutschland. Als Dreh- und Angelpunkt gelten die Definitionskriterien: Die WHO-Diagnose beschreibt eine „dauerhaft bestehende, intensive und beeinträchtigende Reaktion auf einen Verlust“ als krankhafte Trauer. Als Hauptkriterien gelten Dauer und Intensität der Trauer, zusätzlich müssen weitere Aspekte wie Verbitterung, Wut oder emotionale Taubheit zutreffen: Kriterien, die sich schlecht quantifizieren lassen. Primär soll die Definition Betroffenen helfen, die durch eine Verlusterfahrung dauerhaft so beeinträchtigt sind, dass sie ihre sozialen Kontakte nicht mehr pflegen können und die Trauer im Alltag für sie eine zu große Belastung wird. Vorsicht ist geboten bei einer Stigmatisierung von Trauernden: Die Betroffenen nicht vorschnell in eine Schublade als „psychisch krank“ zu stecken, ist der schmale Grat, den Therapeuten und Fachärzte zu bewältigen haben.
Trauer bewältigen lernen: Hilfe und Therapie
Der Vorteil der WHO-Diagnose: Auf dieser Grundlage kann Menschen mit einer langanhaltenden Trauerstörung mittels spezieller Therapien gezielt geholfen werden, über den Verlust eines verstorbenen Menschen hinwegzukommen. Eine Diagnose ist immer die Voraussetzung, um Leistungen aus dem Gesundheitssystem zu erhalten. Bisher stehen Betroffenen, für die Trauer zu einer chronischen Belastung wurde, lediglich Beratungsangebote zur Verfügung, allerdings keine medizinischen Leistungen wie etwa eine Psychotherapie. Eine medizinische Behandlung gibt es nur bei anerkannten, begleitenden Erkrankungen, wie beispielsweise Depressionen, posttraumatischen Belastungs- oder Anpassungsstörungen. Hierzu bieten die Oberberg Kliniken bereits ein fachtherapeutisches Angebot und kompetente Beratungsstellen an.
Die Konsequenz aus den neuen Forschungsergebnissen ist für die Trauerbewältigung befreiend und fordernd zugleich: Es gibt keine Regeln, wie man optimal mit Kummer nach dem Tod eines geliebten Menschen umgehen muss. Niemand schreibt Menschen vor, wie sie sich in der Trauerbewältigung zu verhalten oder zu kleiden haben oder welche Gefühle sie für welchen Zeitraum empfinden dürfen. Wichtig ist es, Trauer zuzulassen und herauszufinden, ob diese mit sich selbst ausgemacht werden kann oder das Gespräch gesucht werden sollte. Trauernde müssen selbst entscheiden, was in ihrer individuellen Trauerbewältigung helfen kann und was weniger – schließlich geht es um den Abschied von einem Menschen, der ebenso einzigartig war wie die Beziehung zu ihm. Eine längere Phase der Trauer kann bei vielen Menschen eine notwendige Reaktion auf den Verlust eines geliebten Menschen sein und sollte nicht unterdrückt oder ausgeschaltet werden. Aus diesem Grunde sollten Therapeuten und Ärzte den Trauernden einfühlsam Zeit, Mitgefühl und Raum für Erinnerungen und Gefühle anbieten. Eine Hilfe ist in diesem Zusammenhang genau das, was man niemandem wünscht: Die Trauer bereits am eigenen Leib erfahren zu haben.
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